lichkeit erwachsen, wenn jetzt bekannt wird, dass seine
Aufhebung‘ des Zensurverbotes und sein freimütiges
Verhalten in dieser Frage ihm wohl den Dank aller
litterarischen Kreise erobert, aber an allerhöchster
Stelle einen leisen Tadel zugezogen hat. Hermann
Sudermanns Drama hatte sich längst im Spielplan des
Lessing-Theaters eingebürgert, als ich eines Tages
in früher Stunde aus der Geheimkanzlei des Ministeriums
des Innern ein Schreiben erhielt, durch das ich zum
Minister berufen wurde. Hier wurde mir eröffnet,
dass der Kaiser beim jüngsten Vortrag des Ministers
das Verbot von »Sodoms Ende« zur Sprache gebracht
hätte, Der Minister führte die Gründe an, die ihn
zur Aufhebung des Verbots veranlasst hätten, und
fügte hinzu:
»Ich selbst habe das Werk mit vorsichtiger Sorg-
falt gelesen; ich habe mich bei jeder Scene befragt,
5b ich dieses Drama in der Begleitung meiner Frau
würde anhören können? Und erst als ich diese Frage
bejahen musste, habe ich im Aufsichtswege ein-
gegriffen, «
»Sie hätten sich fragen sollen,« entgegnete der
Kaiser, »ob Sie auch in Begleitung Ihrer Tochter jede
Scene anhören könnten?«
Der Minister führte in ehrfurchtsvoller Replik
aus, dass vor dieser Frage auch Werke der klassischen
Litteratur, welche den köstlichsten Repertoirebesitz
der Königlichen Bühne bilden, nicht standhalten
würden, Aber das Ergebnis dieses Zwischenfalles war
doch die Frage des Ministers an mich, ob ich nicht
Hermann Sudermanns Werk jetzt allmählich im Spiel-
plan »versickern« lassen könnte? ... Man begreift,