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I.

Full text: Verbotene Stücke / Blumenthal, Oscar (Public Domain)

lichkeit erwachsen, wenn jetzt bekannt wird, dass seine 
Aufhebung‘ des Zensurverbotes und sein freimütiges 
Verhalten in dieser Frage ihm wohl den Dank aller 
litterarischen Kreise erobert, aber an allerhöchster 
Stelle einen leisen Tadel zugezogen hat. Hermann 
Sudermanns Drama hatte sich längst im Spielplan des 
Lessing-Theaters eingebürgert, als ich eines Tages 
in früher Stunde aus der Geheimkanzlei des Ministeriums 
des Innern ein Schreiben erhielt, durch das ich zum 
Minister berufen wurde. Hier wurde mir eröffnet, 
dass der Kaiser beim jüngsten Vortrag des Ministers 
das Verbot von »Sodoms Ende« zur Sprache gebracht 
hätte, Der Minister führte die Gründe an, die ihn 
zur Aufhebung des Verbots veranlasst hätten, und 
fügte hinzu: 
»Ich selbst habe das Werk mit vorsichtiger Sorg- 
falt gelesen; ich habe mich bei jeder Scene befragt, 
5b ich dieses Drama in der Begleitung meiner Frau 
würde anhören können? Und erst als ich diese Frage 
bejahen musste, habe ich im Aufsichtswege ein- 
gegriffen, « 
»Sie hätten sich fragen sollen,« entgegnete der 
Kaiser, »ob Sie auch in Begleitung Ihrer Tochter jede 
Scene anhören könnten?« 
Der Minister führte in ehrfurchtsvoller Replik 
aus, dass vor dieser Frage auch Werke der klassischen 
Litteratur, welche den köstlichsten Repertoirebesitz 
der Königlichen Bühne bilden, nicht standhalten 
würden, Aber das Ergebnis dieses Zwischenfalles war 
doch die Frage des Ministers an mich, ob ich nicht 
Hermann Sudermanns Werk jetzt allmählich im Spiel- 
plan »versickern« lassen könnte? ... Man begreift,
	        
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