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ein, Nachdem wir an siebzehn Stellen kleine
Aenderungen, Striche und Milderungen vorgenommen
hatten, die ohne jede Vergewaltigung des litterarischen
Gewissens möglich erschienen, überreichte ich das
Buch mit einem besonderen Anschreiben nochmals
der Behöde, Zur Unterstützung dieses Schrittes
brachte »Die Post« nach zwei Tagen einen damals
viel bemerkten Artikel, der bei den gouvernementalen
Beziehungen des Blattes besonders schwer ins Gewicht
fallen musste:
„ Wie wir hören, ist die Aussicht noch nicht geschwunden,
dass Hermann Sudermanns Drama ‚Sodoms Ende‘ in der ge-
änderten Gestalt, in welcher es die Direktion des Lessing-Theaters
dem Königlichen Polizeipräsidium neu eingereicht hat, die Ge-
nehmigung der Zensur erlangen wird. Wenigstens ist das Buch
bis zur Stunde noch nicht an Herrn Dr. Oscar Blumenthal
zurückgelangt, und diese Verzögerung lässt darauf schliessen, dass
Herr von Richthofen in eine neue Prüfung des Werkes bereit-
willig eingetreten ist. Würde der Herr Polizeipräsident in der
Lage sein, das Drama jetzt zur Aufführung zuzulassen, so wäre
las nicht die Zurücknahme eines erlassenen Verbotes, sondern
die neue Genehmigung eines neuen Manuskriptes, und die Zensur-
hehörde würde damit dem Wunsch aller litterarischen Kreise,
eine neue Schöpfung von Hermann Sudermann dem entscheidenden
Richterspruch von Publikum und Kritik unterbreitet zu sehen,
entsprechen können, ohne deshalb eine bereits erlassene Verfügung
zurücknehmen zu müssen... Wir gestehen, vom rein litterarischen
Gesichtspunkte aus, dass wir diese Lösung der schwebenden Frage
für die erfreulichste halten würden... Wir haben noch hin-
zuzufügen, dass der Minister des Innern sich über das Verbot
des Werkes einen amtlichen Bericht bereits eingefordert hat.
Es fehlt nicht an einem Präcedenzfalle, wo durch das Ministerium
des Innern ein Verbot im Aufsichtswege beseitigt wurde. Als
‚Die Fourchambault‘ in Stettin verboten waren, ist durch
telegraphische Weisung des Grafen Eulenburg die Aufführung
freigegeben worden. Wir wollen dem Lessing-Theater, das sich