Path:
III. Die gegenwärtige Lage der Berliner Bierverleger

Full text: Die Entwicklung des Berliner Flaschenbiergeschäfts / Stresemann, Gustav (Public Domain)

86 
zahlung, die Schulden für geliefertes Bier oft eine abnorme 
Höhe erreichen, ist das entscheidende. Ott beginnt vielmehr die 
Verschuldung der Bierverleger bei der Brauerei schon in dem 
Augenblick, in welchem das Geschäft überhaupt begründet wird. 
Selten hat der Betreffende, der oft früher irgendwo Kutscher wär, 
die genügenden Mittel und deshalb wendet er sich an die Brauerei, 
welche dann die ganze Einrichtung liefert: Pferd, Wagen, Flaschen, 
Flaschenkasten etc. Der Bierverleger unterschreibt einen Leih- 
kontrakt und verpflichtet sich, für jede von der Brauerei zu ent- 
nehmende Tonne Bier einen Aufschlag von so und soviel zu be- 
zahlen, bis die Summe, welche die geliehene Einrichtung darstellt, 
durch diese Aufschlagzahlungen (2—4 Mark pro !2 Tonne) gedeckt 
sei, worauf das Inventar in seinen Besitz übergehen soll. Oft hört 
das Geschäft nach wenigen Monaten auf zu existieren und es kommt 
überhaupt nicht zur Uebergabe des Inventars, welche in anderen 
Fällen wiederum dadurch ermöglicht wird, dass der betreffende Bier- 
verleger nur diejenige Brauerei pünktlich bezahlt, welche ıhlım das 
Inventar geliehen hat, dagegen bei den übrigen das bezogene Bier 
schuldig bleibt. Besteht zwischen der Brauerei und ihren Abnehmern 
schon ein nach Jahren zählendes Geschäftsverhältnis, so muss sich 
die Brauerei darauf gefasst machen, von ihren Kunden, und zwar 
den Gastwirten, in demselben Masse wie pen Bierverlegern als der 
Kreditgeber angesehen zu werden. Will der Bierverleger Neuan- 
schaffungen machen, und es mangelt ihm an Geld, so geht er zum 
Brauer und lässt es sich von ihm geben; wenn seine Tochter sich 
verheiratet, so muss er, der Brauer, aushelfen, um die Ausstattung 
zu bezahlen u. a. m. Ausser den Bierschulden haben die Bierver- 
leger also in sehr vielen Fällen noch private Schulden bei den 
Brauereien, ja selbst in den Fällen werden letztere ın Anspruch ge- 
nommen, wo der Bierverleger sehr wohl das Geld auch von Anderen 
erhalten könnte, z. B. bei Hypotheken. So wie die Verhältnisse 
heute liegen, muss eine neugegründete Brauerei mindestens 1- bis 
200 000 Mark Kapital flüssig haben, um Darlehnsgesuche ihrer 
Kunden befriedigen zu können. Teilte mir doch eine der kleineren 
Weissbierbrauereien, deren Produktion jährlich etwa 20000 Tonnen 
beträgt, mit, dass sie an zinslosen Darlehen allein ca. 40000 Mark 
ausgeliehen habe. und der Geschäftsführer einer der grösseren
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.