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zahlung, die Schulden für geliefertes Bier oft eine abnorme
Höhe erreichen, ist das entscheidende. Ott beginnt vielmehr die
Verschuldung der Bierverleger bei der Brauerei schon in dem
Augenblick, in welchem das Geschäft überhaupt begründet wird.
Selten hat der Betreffende, der oft früher irgendwo Kutscher wär,
die genügenden Mittel und deshalb wendet er sich an die Brauerei,
welche dann die ganze Einrichtung liefert: Pferd, Wagen, Flaschen,
Flaschenkasten etc. Der Bierverleger unterschreibt einen Leih-
kontrakt und verpflichtet sich, für jede von der Brauerei zu ent-
nehmende Tonne Bier einen Aufschlag von so und soviel zu be-
zahlen, bis die Summe, welche die geliehene Einrichtung darstellt,
durch diese Aufschlagzahlungen (2—4 Mark pro !2 Tonne) gedeckt
sei, worauf das Inventar in seinen Besitz übergehen soll. Oft hört
das Geschäft nach wenigen Monaten auf zu existieren und es kommt
überhaupt nicht zur Uebergabe des Inventars, welche in anderen
Fällen wiederum dadurch ermöglicht wird, dass der betreffende Bier-
verleger nur diejenige Brauerei pünktlich bezahlt, welche ıhlım das
Inventar geliehen hat, dagegen bei den übrigen das bezogene Bier
schuldig bleibt. Besteht zwischen der Brauerei und ihren Abnehmern
schon ein nach Jahren zählendes Geschäftsverhältnis, so muss sich
die Brauerei darauf gefasst machen, von ihren Kunden, und zwar
den Gastwirten, in demselben Masse wie pen Bierverlegern als der
Kreditgeber angesehen zu werden. Will der Bierverleger Neuan-
schaffungen machen, und es mangelt ihm an Geld, so geht er zum
Brauer und lässt es sich von ihm geben; wenn seine Tochter sich
verheiratet, so muss er, der Brauer, aushelfen, um die Ausstattung
zu bezahlen u. a. m. Ausser den Bierschulden haben die Bierver-
leger also in sehr vielen Fällen noch private Schulden bei den
Brauereien, ja selbst in den Fällen werden letztere ın Anspruch ge-
nommen, wo der Bierverleger sehr wohl das Geld auch von Anderen
erhalten könnte, z. B. bei Hypotheken. So wie die Verhältnisse
heute liegen, muss eine neugegründete Brauerei mindestens 1- bis
200 000 Mark Kapital flüssig haben, um Darlehnsgesuche ihrer
Kunden befriedigen zu können. Teilte mir doch eine der kleineren
Weissbierbrauereien, deren Produktion jährlich etwa 20000 Tonnen
beträgt, mit, dass sie an zinslosen Darlehen allein ca. 40000 Mark
ausgeliehen habe. und der Geschäftsführer einer der grösseren