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VIII. Meine Erlebnisse während der bulgarischen Ereignisse vom August bis September 1886

Full text: Aus jungen und alten Tagen / Pietsch, Ludwig (Public Domain)

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sämtlichen liberalen und demokratischen Zeitungen Deutsch— 
lands. Und doch hat der große Kanzler seine staatsmännische 
politische Weisheit bei dieser bulgarischen Katastrophe in 
seinem ganzen Verhalten so glänzend bewiesen wie in irgend⸗ 
einer Angelegenheit der internationalen Politik. 
Dank den Mitgliedern des gastlichen Häberleschen Hauses, 
dem Verkehr mit v. Saldern, mit Corvin, und dank der 
Stunden im Klub, in den mich mein Gönner bei meiner 
Wiederkehr von neuem eingeführt hatte, verflossen mir persön⸗ 
lich diese erwartungsvollen, unruhigen Tage höchst angenehm. 
So war der 7. September gekommen, an dem nachmittags 
2 Uhr die Abreise des Fürsten erfolgen sollte. Eine Regent— 
schaft mit Stambulow haͤtte er eingesetzt. Von der Mittags— 
stunde an versammelten sich die meisten namhaften Persönlich— 
keiten Sofias im großen unteren Flur des Schlosses. Draußen 
fuhr eine lange Reihe mit Vieren breit bespannte Phaẽtons 
vor. Darunter auch der, den Lukees und ich gemietet hatten 
und dessen Viergespann ein ehemaliger Kavallerist, welchen 
jener bereits als sehr geschickt und findig erprobt hatte, lenkte. 
Dort hielten auch die Reiter des Convois, welche dem Fürsten 
das letzte Ehrengeleit geben sollten. 
Das große Vestibül im Erdgeschoß hatte sich immer 
dichter mit Herren und Damen gefüllt. Die Regenten, die 
Minister, die Generalität, die Leibdiener des Fürsten in 
prächtiger, goldbeschnürter, montenegrinischer Nationaltracht, 
standen am Fuß der großen Treppe. Nun kam er, von seinem 
Bruder und seinem Sekretär begleitet, die Stufen herab, ge— 
kleidet in die Alltagsuniform des Convoi: weißen Waffenrock, 
blaue Beinkleider und bis wenig unterhalb der Knie reichende 
russische Schaftstiefel, die flache, weiße Mütze in der Hand. 
Er schien tief bewegt. Seine Augen und Züge drückten eine 
milde Schwermut aus, wenn auch bei der Begrüßung durch 
ihm besonders werte Menschen ein freundliches Lächeln über
	        
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