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Am 24. April nahm ich wehmütig Abschied von den mir
liebsten Stätten der Insel, der Villa Reale und dem Kap al
Canone, die sich mir noch einmal in der heißen Vormittags—
sonne unter dem blauen, tiefklaren Himmelsdom in ihrer
ganzen unvergleichlichen Schönheitsfülle zeigten. Ich sagte
Lebewohl dem liebenswürdigen Paar, dem Hausherrn und
der Hausherrin der Bella Venezia, den mir hier näher bekannt
gewordenen Mitbewohnern des Hotels, dem verehrten Ver—
treter des Deutschen Reiches in Korfu, dem bewährten, ge—
schäftstüchtigen und zugleich für alle idealen Interessen so
warm begeisterten und eifrig wirkenden Konsul Herrn Fels,
in dessen gastlichem Hause mir auch diesmal wieder eine so
freundliche Aufnahme geworden war, wie vor fünfzehn Jahren
und seiner geistvollen, reichbegabten, graziösen Schwiegertochter,
und begab mich an Bord des von Athen gekommenen Lloyd⸗
dampfers „Ceres“. Die ganze Bevölkerung der Stadt sah
ich noch beim Scheiden in eigentümlicher Aufregung. Auf—
fallend häufige Soldatenposten waren, besonders in den zumeist
von jüdischen Geschäftsleuten bewohnten Straßen, verteilt.
Das Gerücht von einem durch Juden an einem Griechenkinde
begangenen Ritualmorde hatte den christlichen Fanatismus
der Massen entflammt. Ausschreitungen gegen die Juden
waren schon gestern begangen. Die griechische Bevölkerung
Korfus war nie von besonderer Sympathie für die Kinder
der zwölf Stämme erfüllt. Deren Zahl auf der Insel ist bis
zu der bedenklichen Höhe von 5000 angewachsen, während
der berühmte jüdische Reisende Benjamin von Tudela im Jahre
1190 noch das von ihm besuchte Korfu also charakterisieren
konnte: „Die von Otranto können in zwei Tagen hinüber⸗
schiffen, wo sich nur ein einziger Jude befindet, mit Namen
Rabbi Joseph.“
Der mit Passagieren überfüllte Dampfer gab in Brindisi,
wo wir nachts um 22/2 Uhr eintrafen, deren Mehrzahl