Ihre am meisten gefeierten Bildwerke erzählen mindestens
ebenso häufig in großer Breite wie in lapidarer Kürze. Künst-
lerische Lebendigkeit bedeutete für sie keineswegs nur
drastische Betonung des Hauptsächlichen, sondern in gleichem
Grade Wiedergabe eines reichen Bildes des Wirklichen —
gleichviel, ob dadurch das Verständnis der Haupthandlung ge-
fördert wurde oder nicht. Die jubelnde Daseinsfreude der
Renaissance verlangte auch hier ihr Recht. Voller und schöner
als an dieser Baptisteriumstür ist ihr dies in der Kunst niemals
geworden, wenigstens nicht in der Reliefkunst. —
Auch bei dem Verzicht auf jede Wiedergabe des Schau-
platzes führte die Entwicklung des antiken Reliefs von der Reihen-
form des Parthenonfrieses zur Fülle sich drängender Figuren
und Köpfe an römischen Sarkophagen und Triumphalreliefs.
Hier knüpfte die Reliefkunst der Pisani an, aber das gesprächige
Trecento liebte es, mit dem Beiwerk auch den Hintergrund aus-
führlich zu schildern. — Prinzipiell also blieb Ghiberti auf schon
dekannten Wegen. Und dennoch war er ein Pfadfinder. Erst
ihm gelang es, die stammelnden Versuche seiner Vorgänger mit
vollendeter Kunst ihrem Endziel entgegenzuführen. Wodurch
ihm dies glückte? — Er selbst antwortet mit schlichten, richtigen
Worten, die jedoch das Hauptmittel seines Erfolges nicht nennen,
deshalb nicht, weil es schließlich überhaupt nur angedeutet, nicht
aber logisch erläutert werden kann: jenes echt künstlerische,
persönliche Taktgefühl, die Geschmeidigkeit der bildenden Phan-
tasie, die selbst die Schranken verstandesmäßig begründeter
Stilgesetze überwindet. Letztere erteilt hier die Natur selbst,
die den plastischen Formen Licht und Schatten von außen her
spendet. An der Rundfigur entspricht diese Licht- und Schatten-
wirkung der des wirklichen Vorbildes, am Relief tritt sie zu der
Formenverkürzung in störenden Gegensatz. Das hat bereits
Lionardo hervorgehoben. Sicherlich war auch Ghiberti sich
dessen bewußt. Es konnte ihm ebensowenig wie dem heutigen
Beschauer entgehen, daß die Intensität der Schatten in seinen
Reliefs nicht naturwahr ist, und daß dort zuweilen Figuren
ihren Schlagschatten auf die entferntesten Teile des Hintergrundes
werfen. Aber gerade für die Aufgabe, diese Schwierigkeit so
weit wie irgend möglich zu überwinden, setzte Ghiberti seine
ganze Künstlerkraft ein. Sein Erfolg war kein Sieg der perspek-
tivischen Wissenschaft, sondern der perspektivischen Kunst, vor
der die theoretische Lehre noch heute Halt machen muß.
In dem vollendeten Werk erscheint dieser Sieg leicht, wie
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