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Max Klingers Todesphantasien

Full text: Gesammelte Reden und Aufsätze / Meyer, Alfred Gotthold (Public Domain)

MAX KLINGERS 
TODESPHANTASIEN 
„Deutschland“ 1890. No. 41, 42. 
Le propre de Phomme est d’inventer, 
d’Etre soi et non pas un autre. Burger. 
1° den stetig sich mehrenden Kämpfen, welche dem geistigen 
Leben unserer Tage den Charakter einer gärenden Über- 
gangsepoche verleihen, bleiben die bildenden Künste sichtlich 
im Hintertreffen. Ihre Zeit scheint noch nicht gekommen. Der 
Anschauung jenes vielbesprochenen anonymen Herolds deutscher 
Kunst, welcher sein stolzes Zukunftsbild in der Gestalt eines 
Malers verkörpert, steht die öffentliche Meinung vorerst noch 
schroff entgegen. Ihr sind die Namen der jüngsten Dichter und 
Musiker noch immer weitaus geläufiger als die der zeitgenössi- 
schen Vorkämpfer im Reich der Bildnerei. Wohl veranlaßt auch 
in diesem eine durch Eigenart hervorragende Schöpfung bis- 
weilen einen Streit der Meinungen, aber die Gemüter beruhigen 
sich meist rasch, und der Schlachtruf verhallt hier durchgängig 
schneller als im Zeltlager literarischer Kritik. 
Dieser Tatsache gegenüber spricht die erregte, meist zu 
einem künstlerischen Glaubensbekenntnis erweiterte Erörterung, 
welche jedes neue Werk Max Klingers zu veranlassen pflegt, 
gewichtig für seine hohe Bedeutung. Schon sein erstes Debüt 
auf der Kunstausstellung des Jahrs 1878 hatte in diesem Sinne 
einen eigenartigen Erfolg: eine begeisterte Anerkennung wurde 
in der gleichen Zeitschrift, welche sie veröffentlichte, im Einver- 
ständnis mit der Redaktion widerrufen. Dies selbst in den 
wechselvollen Annalen unserer Kunstkritik seltene Schauspiel 
wiederholte sich, freilich weniger drastisch, genau zehn Jahre 
später in den Spalten eines kunsthistorischen Fachblattes, wo 
auf ein vorsichtig rühmendes Referat über Klingers Illustra- 
tionen zu „Amor und Psyche“ ein in beißende Satire gekleideter 
Bannspruch der ganzen Klingerschen Kunst folgte. — In
	        
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