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Die Jubiläums-Ausstellung des Vereins für Deutsches Kunstgewerbe in Berlin

Full text: Gesammelte Reden und Aufsätze / Meyer, Alfred Gotthold (Public Domain)

Bei der Ausstellung wurde diese Frage überhaupt garnicht 
aufgeworfen. Und mit Recht! Ein einseitiges Vorgehen in der 
Richtung der Moderne wäre für Zeit und Ort unangebracht ge- 
wesen, ebenso aber, die neue Art etwa prinzipiell auszuschließen ! 
Man fand einen Mittelweg. Auswüchse sind gemieden oder be- 
Schnitten. Den modernen Stil in der Ausstellung — ich brauche 
dieses gefährliche Wort, weil es hier ganz eindeutig ist — könnte 
man im Anschluß an Zolas berühmte Definition bezeichnen als: 
ein Stück von ihm, gesehen durch das Temperament des 
Berliner Vereins für deutsches Kunstgewerbe. — 
An einzelnen Stellen gewinnt dies Temperament sogar eine 
überraschende Wärme. Den stärkeren. Gegenpol freilich bieten 
die konservativen Werte. Aber sie sind so geschickt verteilt, 
daß man ihr Übergewicht kaum wahrnimmt und es keinesfalls 
als Rückläufigkeit empfindet. 
Besonders charakteristisch dafür ist die Gruppe der Möbel 
und Holzarbeiten. Sie hat zur Dekoration der Räume 
den Hauptteil geliefert; für manche Firmen ist dies sichtlich 
sogar zur Hauptaufgabe geworden. 
Das läßt sich rechtfertigen, war aber nicht unbedingt 
geboten. 
Die Kunstindustrie soll vor allem gute Einzel- 
arbeit schaffen. Für deren Zusammenklang ist eine selbst- 
ständige künstlerische Kraft erwünscht, über welche die Möbel- 
firmen nicht stets verfügen, auch nicht stets zu verfügen 
brauchen. Bei wertvollen und vornehmen Räumen wird da 
doch stets der Architekt die Zügel führen. Aber die moderne 
Arbeitsteilung hat zwischen dem leitenden Baukünstler und der 
Werkstatt eine Fülle von Zwischenstufen geschaffen, besonders 
den kunstgewerblichen Zeichner, der selbständig eingreift oder 
im Dienst einer Einzelfirma steht; dann diese Firmen selbst, 
welche die persönliche Künstlerkraft im Gesamtbetriebe ihres 
Geschäftes als „ungenannte“ Größe verwerten. So wird ihre 
Ausstellung eine Warenauslage nach den Gesichtspunkten künst- 
lerischer Raumschmückung. Und diese Ware braucht dabei 
nicht einmal eigene Neuschöpfung zu sein. Die Firma Her- 
mann Gerson, die den größten Raum der Ausstellung er- 
hielt, hat sich damit begnügt, ihn vorwiegend mit Altsachen 
zu dekorieren (Architekt Wisniewski). Allerdings mit 
größtem materiellen Aufwand! So köstliche alte Teppiche, 
Gobelins, Kissen und Kronen, wie sie hier vereint sind, können 
ihren Effekt überhaupt kaum einbüßen. Der Gesamteindruck 
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