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Die Architektur-Ausstellung der Stadt Berlin 1901

Full text: Gesammelte Reden und Aufsätze / Meyer, Alfred Gotthold (Public Domain)

Und er hat sich mit ihnen dort schon jetzt einen ehren- 
vollen Platz gesichert. Ja noch mehr: er hat mit ihnen den 
Grundprinzipien unserer ganzen heutigen Bauart einen be- 
achtenswerten Erfolg gebracht. Wer diese Ausstellung auf- 
merksam durchwandert, muß empfinden, daß unsere Baukunst 
trotz aller Gefahren einer bald rückläufigen, bald vorschnellen 
Entwicklung in der Hauptrichtung auf gutem Wege ist. — 
Es ist nicht unberechtigt, bei einer Charakteristik von Hoff- 
manns persönlicher Kunst zunächst an ihren Zusammenhang mit 
der traditionellen Schulung unserer heutigen Architekten zu er- 
innern. Hoffmann gehört nicht zu den stürmischen Neuerern. 
Das bewies schon sein Reichsgericht. Die Neubildungen sind 
dort ungleich weniger bedeutsam als an Wallots Reichstags- 
gebäude. Aber es ist doch ein ganz eigenartiges Werk; Hoffmann 
zählt auch nicht zu den Architekten, denen die historischen 
Stilformen die selbständige schöpferische Arbeit ersetzen. 
Er kennt sie alle von Grund aus, aber er sieht in den über- 
lieferten Stilformen nur die Wirkung und den Stimmungs- 
wert, und verwendet sie nur, wo er diese für die Lösung 
seiner Aufgabe braucht. Trotz aller geschichtlichen Anklänge 
hat man bei seinen Bauten niemals die Empfindung, er habe 
Stil und Details gewählt, um einen reizvollen, aber beliebigen 
Schatz seiner Skizzenbücher und Sammelmappen anzubringen. 
Und nirgends prunkt er mit seinem Wissen. Dazu ist er zu ge- 
bildet. Hoffmanns Studium der früheren Stile ist kein Pausen, 
Zeichnen und Messen, sondern ein künstlerisches Durchleben, 
und darum vermag er es in seinem eigenen Schaffen wieder in 
künstlerisches Leben umzusetzen. — 
Solche Nutznießung des überkommenen Erbes ist aber grade 
für seine jetzige Tätigkeit willkommen. Städtische Wohlfahrts- 
bauten sind ihrem ganzen Zwecke nach zu stilistischen Experi- 
menten ungeeignet. Wer sie dazu brauchte, würde den ge- 
schichtlichen Zusammenhang durchbrechen, in dem das Gemein- 
wesen selbst steht, und mit dem so ausgeprägten historischen 
Sinn unserer Zeit in Widerspruch geraten. Unsere alten Kunst- 
städte suchen in ihren wichtigen staatlichen und städtischen Neu- 
bauten ihren historischen Stil möglichst zu wahren. Auch 
Berlin entbehrt denselben nicht ganz. Seine ältesten Teile zeigen 
die märkische Backstein-Gotik. Backstein und Terrakotta sind 
auch für Hoffmann ein bevorzugtes Material. Für die Turnhalle 
des Gymnasiums zum grauen Kloster an der Neuen Friedrich- 
straße greift er auf die Formensprache der nahen Klosterkirche 
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