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auch „die erste Mitteilung davon mache; jeder noch so glänzenden
Stellung in der Ferne werde er den Aufenthalt in Weimar, an
das ihn Neigung und freundschaftliche Bande fesselten, vorziehen;
lediglich die Pflicht, bei seinem Alter und seiner Kränklichkeit für
seine Familie zu sorgen, habe ihn bestimmt, die ihm sich bietenden
glänzenden Aussichten nicht zurückzuweisen“; sein höchstes Glück
werde darin bestehen, „dies tun (d. h. die Zurückweisung aus—
sprechen) zu können durch die Gnade des Herzogs; in Berlin
wolle man ihm soviel bewilligen, wie seine Existenz er—
heische“ . .., gern wolle er ferner /z seiner Privateinnahmen
für seinen Unterhalt verwenden, wenn ihm /, für seine Kinder
verbleibe. Er bittet den Herzog, ihn in diese Lage zu versetzen.i)
Die Rücksicht auf die Familie wird also in diesem Schreiben
nur erwähnt, um zu begründen, weshalb bisher die Zurück—
weisung der glänzenden Anträge unterlassen sei; daß dieser
Rücksicht zu Liebe Schiller selbsthandelnd vorgegangen war,
bleibt ungesagt.
Das an den Herzog gerichtete Schreiben gelangte, ehe der
Herzog davon Kenntnis nahm, geschäftsordnungsmäßig an Goethe.
Dieser übersandte es dem Herzog mit folgendem kurzen Begleit—
bericht) alsbald am Tage des Eingangs (5. Juni): „Ein Billet
von Schiller zu huldvoller Beherzigung folgt hierbei. Morgen werde
bei Zeiten aufwarten“.
Am Abend des 5. Juni wurde Goethe durch Schiller, so sagt
der Kalender, „von dem beim Herzog getanen Schritte“ mündlich
benachrichtigt;) das schließt nicht aus, daß beide vorher beraten
und beschlossen hatten, der Schritt solle getan werden, auch schließt
es nicht aus, daß Goethe bereits amtlich von dem getanen Schritte
wußte. Das Resultat der „Aufwartung“ beim Herzog anderen
Morgens scheint der am nämlichen Tage abgesandte Brief des
Herzogs gewesen zu sein, in welchem Schiller aufgefordert wurde,
„diejenigen Mittel zu sagen“, durch die er „bestimmt werden
könne zu bleiben“. Sofort (noch am 6.) brachte Schiller in einem
Schreiben an Goethe seine Wünsche zum Ausdruck mit der An—
i) Jonas Bd. 7 Nr. 1975.
) Stein, Goethe⸗Briefe. 1904. 5. Bd. S. 148 Nr. 1067.
) Goethe⸗Jahrb. 1886 S. 198.