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Der "Gute Hirte" in Charlottenburg

Full text: Die katholische Charitas in Berlin / Fournelle, Heinrich (Public Domain)

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Abendbrot; darauf ist Erholung bis halb 9, und nach gemein— 
schaftlichem Abendgebet begiebt sich Alles in die Schlafsäle zur 
Ruhe. Zweimal wöchentlich wird vom Anstaltsgeistlichen ge— 
meinsamer Religionsunterricht ertheilt. 
Der Besucher merkt auf der Stelle, welch guter Geist unter 
den Zöglingen herrscht; in ihrer Kleidung tragen dieselben durch— 
aus nichts Demüthigendes oder ihren Stand der Buße Be— 
zeichnendes. Die Mittel zur Heilung dieser mehr oder weniger 
kranken Seelen sind die Hausordnung, die regelmäßige Arbeits- 
zeit, Zurückgezogenheit und Stillschweigen und häufige Beicht, — 
die meisten gehen alle 14 Tage; — vor Allem aber ist nöthig 
eine große Milde und Sanftmuth in der Leitung. Die Bedauerns— 
werthen, die auf dem Schauplatz ihrer früheren Sünden verachtet 
und mißhandelt wurden, sehen sich plötzlich von der entgegen— 
gesetzten Sorgfalt und Liebe umgeben und fühlen sich in der 
Schutzstätte der guten Schwestern so heimisch, daß, wenn die Zeit 
gekommen ist, sie nur mit den schmerzlichsten Gefühlen dieselbe 
verlassen. 
Es findet sich auch stets eine gewisse Anzahl dieser armen 
Wesen, die, ihre Schwachheit fürchtend, inständig bitten, man 
möge sie nicht mehr entlassen. Wenn nicht besondere Umstände 
dem entgegenstehen, wird einem solchen Wunsch stets entsprochen; 
nachdem diese Büßerinnen eine bestimmte Probezeit zurückgelegt 
haben, erhalten sie durch den Anstaltsgeistlichen eine von Rom 
aus concedirte Segnung und gehören dann zu den sogenannten 
„consecrirten Büßerinnen“; äußerlich sind diese von 
ihren übrigen Mitschwestern erkenntlich durch ein silbernes Kreuz, 
das sie auf der Brust tragen, und durch das auf den Zipfel des 
Schultertuches in weißer Farbe gestickte Monogramm J. H. 8. 
So bildet sich eine Anzahl tugendhafter Büßerinnen, deren schönes 
Beispiel geeignet ist, ihre Gefährtinnen zur Nachahmung anzu— 
spornen; dieselben betheiligen sich auch einigermaßen an der Auf— 
sicht der Uebrigen, gehören aber immer zu den Zöglingen. Es 
sind das aber nicht, wie man vielleicht glauben könnte, die 
sogenannten Magdalenen. In Charlottenburg giebt es über— 
haupt keine Magdalenenschwestern, wie in mehreren anderen 
größeren Klöstern des Guten Hirten. Die Magdalenen sind 
frühere Büßerinnen, die von tiefer Reue ergriffen und von wahrer
	        
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