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heims fröhlich leben können, wenn nicht ein anderes Leid, die
Krankheit, das kleine Häuschen heimgesucht hütte. „Nehmen Sie
sich in Acht“, hatte der Arzt beim Besuch einer erkrankten
Kleinen gesagt, „in dem Hause war schon der Typhus; dasselbe
ist feucht und ganz ungesund.“ — Es kam die nasse Frühlings—
zeit des Jahres 1892 und ein Kind nach dem andern erkrankte.
In dieser Noth machte der Arzt den Vorschlag, in einem Vorort
eine Filiale, wenn auch nur für den Sommer einzurichten. Das
klang märchenhaft! eine Filiale einrichten und keinen Pfennig
Geld haben. Doch da kam der Tod und nahm eine ganze Reihe
der kleinen Lieblinge himpeg, um sie zur ewigen Heimath zu
führen. Der selige Propst Jahnel, dem die Leiterin der Anstalt
ihr Leid klagte, war sofort für den Vorschlag, nunmehr eine
Filiale außerhalb der Stadt einzurichten. Es fand sich auch
bald ein Landhaus in der Vorstadt Weißensee, und als Tag
der Uebersiedelung ward der 5. Juni festgesetzt. Alles für die
denkbar bescheidensten Ansprüche Nöthige wurde aus dem Heim
in der Pappelallee zusammengesucht; das Geld für die neue
Miethe brachte am Vorabend unter dem Jubel der Kinder eine
wohlthätige Dame, die keine Ahnung von der geplanten Neu—
gründung hatte. Schnell ward gerüstet und am andern Morgen
abgefahren. So begann das zweite Josephsheim, das sich jetzt
noch in Weißensee, Gürtelstraße 8, befindet.
Die Kleinen erholten sich nach und nach, und später, im
Jahre 1894, als in der Pappelallee das Nebenhaus Nr. 112
zugemiethet wurde, kehrten sie zurück. In Weißensee sind jetzt
die nach ihrem sechssten Lebensjahr dem Josephsheim zugeführten
Mädchen, damit diese zumeist in schlechten Verhältnissen aufgewachsenen
Kinder die übrigen, im Alter von 1 bis 6 Jahren aufgenommenen,
vor jedem Bösen sorgfältigst gehüteten Kinder, nicht verderben
können.
Nach Jahresfrist befanden sich bereits 50 Kinder unter der
Obhut ihrer liebevollen Pflegerinnen; nach und nach kam beim
Wachsen dieser Zahl die Zeit, wo die Josephsheimer eines neuen,
geräumigen Hauses bedurften; die göttliche Vorsehung verhalf
ihnen dazu. Ein frommer Herr dachte in Falkenstein auf seinem
Sterbelager an das Josephsheim mit seinen heimathlosen Kleinen
und vermachte demselben die Summe von 15000 Mark für einen