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die Ernüchterung kam und an die Stelle der Freude Trauer und
Beschämung traten! — —
Sobald es nur die Verhältnisse gestatteten, was am 25. März
möglich war, siedelte der Königliche Hof nach Potsdam über.
Nun sollten aber auch die ruhmbedeckten Fahnen und Standarten,
welche so oft den siegreichen preußischen Truppen in blutigen
Kämpfen vorangeweht, aus der Halle der Königlichen Wohnung,
wo sie bisher ihre Aufstellung gefunden, entfernt werden, weil
man befürchtete, daß, wenn sich die Verhältnisse in Berlin
vielleicht noch trüber gestalteten, mit diesen Zengen preußischer
Tapferkeit Unfug getrieben werden könnte. Ich erfüllte den mir
gewordenen Auftrag, indem ich die Fahnen gleich nach dem Um—
zug des Königs in ein entfernteres Hinterzimmer hatte bringen
lassen. Aber auch da schienen sie nicht mehr sicher, da die Mann—
schaften der von der Bürgerwehr bezogenen Schloßwache überall
neugierig herumstöberten. So ließ ich denn die ehrwürdigen Feld⸗
zeichen in große Sopha-Teppiche einschlagen und nach der schon
erwähnten Tapezier-Werkstätte im Schloß bringen, von wo sie in
ähnlicher Verpackung auf großen Möbelwagen mit anderen ko—
nomie-Bedürfnissen, ohne Aufsehen zu erregen, aus Berlin und in
Sicherheit gebracht wurden. —
Noch im Laufe des Monats April wurde ich dienstlich nach
Potsdam beordert, erhielt fir den Sommer im Neuen Garten
und für den Winter in dem zum Schauspielhause gehörenden
Diensthause in der Friedrichstraße eine Dienstwohnung.
Der Sommer wurde ausgefüllt durch beunruhigende Nach—
richten, die von allen Seiten in politischer Beziehung einliefen,
und für mich bot sich daher keine Gelegenheit zu einer besonderen
Thätigkeit, auch nahm mich der tägliche Dienst auf Sanssouci
oöllig in Anspruch.
In Potsdam wollten die Leute doch auch mitspielen, und
so entsinne ich mich, daß eines Tages von Berliner Revolutions—
Größen eine Versammlung in der Reitbahn vor dem Branden—
burger Thor, neben der Ulanen-Kaserne, angekündigt war, in