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dadurch etwas Gutes zu thun, las ich, umgeben von einem
dichten Menschenhaufen, vor dem Thorwege eines Hauses am
Dönhoffsplatze stehend, diese Proklamation mit lauter Stimme
vor. Wenn ich aber hoffte, dadurch eine Zustimmung hervor—
zurufen, so hatte ich mich arg getäuscht: Alle blieben still, Einer,
— ich erkannte in ihm einen Weißwarenhändler an den Ko—
lonnaden in der Leipzigerstraße — machte sogar einen wider—
wärtigen „Witz,“ welcher mir die Zorn- und Schamröte in das
Gesicht trieb, der aber laut belacht und bejubelt wurde. Ohn—
mächtig, etwas dagegen zu thun, ging ich betrübt von dannen.
Auf meinem Wege zur Ritterstraße kam ich nun zur Ecke
der Linden- und jetzigen Feilnerstraße. Am Anfang der letzteren
stand noch eine hohe und feste Barrikade, an deren Abbruch man
noch nicht gegangen war; an der einen Seite war ein Durch—
gang von 3 bis 4 Fuß Breite für Fußgänger offen gelassen
worden. Als ich denselben passieren wollte, wurde ich von dem
auf der Barrikade stehenden Posten angerufen und aufgefordert,
mich zu legitimieren. Zu meinem Erstaunen erkannte ich in dieser
Wache einen mir befreundeten Bildhauer Wolff, den späteren be—
kannten Professor und Mitglied der Akademie (den sogenannten
„Tier-Wolff,“ von dem auch die Löwengruppe im Tiergarten
herrührt), im Schlafrock mit roter Schärpe um den Leib, langem
Schleppsäbel und mächtigem, federgeschmückten Kalabreser. Ich
war so empört, daß ich ihm, nicht in mildem Tone, zurief:
„Mensch, wie kommst Du dahin und in diesem Aufzuge! Schämst
Du Dich nicht?“ — Er kam herunter und erklärte mir sodann,
daß sich das Gerücht verbreitet hätte, man wolle die Jerusalemer
Kirche ihrer silbernen Gerätschaften berauben, und da habe er
sich denn als ein „wütender Republikaner“ gezeigt und es durch—
gesetzt, daß man für diese Gefäße seine Wohnung als sicheren
Aufenthaltsort gewählt habe. Es freute mich herzlich, daß ich
mich in einem alten Bekannten nicht getäuscht hatte.
Meine Frau und Kinder traf ich im Hause meiner Schwieger⸗
eltern wohlbehalten an, aber in höchster Sorge meinetwegen.