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Dritter Abschnitt

Full text: Unter fünf preußischen Königen / Dohme, Robert (Public Domain)

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dadurch etwas Gutes zu thun, las ich, umgeben von einem 
dichten Menschenhaufen, vor dem Thorwege eines Hauses am 
Dönhoffsplatze stehend, diese Proklamation mit lauter Stimme 
vor. Wenn ich aber hoffte, dadurch eine Zustimmung hervor— 
zurufen, so hatte ich mich arg getäuscht: Alle blieben still, Einer, 
— ich erkannte in ihm einen Weißwarenhändler an den Ko— 
lonnaden in der Leipzigerstraße — machte sogar einen wider— 
wärtigen „Witz,“ welcher mir die Zorn- und Schamröte in das 
Gesicht trieb, der aber laut belacht und bejubelt wurde. Ohn— 
mächtig, etwas dagegen zu thun, ging ich betrübt von dannen. 
Auf meinem Wege zur Ritterstraße kam ich nun zur Ecke 
der Linden- und jetzigen Feilnerstraße. Am Anfang der letzteren 
stand noch eine hohe und feste Barrikade, an deren Abbruch man 
noch nicht gegangen war; an der einen Seite war ein Durch— 
gang von 3 bis 4 Fuß Breite für Fußgänger offen gelassen 
worden. Als ich denselben passieren wollte, wurde ich von dem 
auf der Barrikade stehenden Posten angerufen und aufgefordert, 
mich zu legitimieren. Zu meinem Erstaunen erkannte ich in dieser 
Wache einen mir befreundeten Bildhauer Wolff, den späteren be— 
kannten Professor und Mitglied der Akademie (den sogenannten 
„Tier-Wolff,“ von dem auch die Löwengruppe im Tiergarten 
herrührt), im Schlafrock mit roter Schärpe um den Leib, langem 
Schleppsäbel und mächtigem, federgeschmückten Kalabreser. Ich 
war so empört, daß ich ihm, nicht in mildem Tone, zurief: 
„Mensch, wie kommst Du dahin und in diesem Aufzuge! Schämst 
Du Dich nicht?“ — Er kam herunter und erklärte mir sodann, 
daß sich das Gerücht verbreitet hätte, man wolle die Jerusalemer 
Kirche ihrer silbernen Gerätschaften berauben, und da habe er 
sich denn als ein „wütender Republikaner“ gezeigt und es durch— 
gesetzt, daß man für diese Gefäße seine Wohnung als sicheren 
Aufenthaltsort gewählt habe. Es freute mich herzlich, daß ich 
mich in einem alten Bekannten nicht getäuscht hatte. 
Meine Frau und Kinder traf ich im Hause meiner Schwieger⸗ 
eltern wohlbehalten an, aber in höchster Sorge meinetwegen.
	        
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