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Sturmvögel der Revolution, die überall durch hingeworfene,
hetzende Redensarten das Volk aufzuwiegeln und Unzufriedenheit
zu erwecken suchten.
Zufällig fiel mir auf, daß ein mit langen Brettern be—
ladener Arbeitswagen von einigen dieser Männer angehalten
wurde, der Kutscher schien ihren Anweisungen sofort zu gehorchen
und blieb trotz des Menschengewühls vor dem Pfeilerhause an
der Kurfürsten-Brücke halten, bis nach etwa einer halben Stunde
die ersten unaufgeklärten Schüsse fielen. In demselben Augen—
blick wurde auch der Arbeitswagen seiner Last entledigt, und der
erste Barrikadenbau mit jenen Brettern in der Königstraße errichtet.
Die Gefangenen, die in der Nacht zum 19. März gemacht waren,
wurden zunächst in den Schloßkellern in Sicherheit gebracht und
allerdings nicht mit Glacéͤhandschuhen angefaßt und die Treppen
hinuntergeleitet, das Militär war bereits zu sehr gereizt.
Auf den Schloßhöfen biwakierten verschiedene Truppen—
teile, Geschütze waren aufgefahren, dabei war ein fortwährendes
Kommen und Gehen, Hasten und Treiben: Prinzen und Generale
erschienen, Adjutanten und Ordonnanzen eilten herbei und ver—
ließen ebenso eilig das Schloß, und in dem fieberhaften und auf—
regenden Getriebe gingen die tollsten Übertreibungen von Mund
zu Mund — die Stadt wäre bis zum letzten Winkel hinein in
vollem Aufruhr, nach vielen Hunderten zählten die Toten, über—
all wäre Morden und Plündern, Sengen und Brennen — und
fanden wohl auch Einlaß bis zu den Königlichen Gemächern.
Meine Frau und Kinder hatte ich einige Tage zuvor zu
meinen in der Ritterstraße wohnenden Schwiegereltern gebracht,
und ich wollte mich am 19. März überzeugen, wie es ihnen er—
ginge und wie es in der Stadt aussähe. Die Truppen waren
auf Königlichen Befehl zurückgezogen worden, und die bekannte
Proklamation des Königs: „An meine lieben Berliner“ war gerade
erschienen. Ich befand mich im Besitz eines Exemplars, und ich
weiß selbst nicht, wie es kam, kurz, in meiner heftigen Auf—
regung, in der sich damals jeder befand, und in dem Glauben,