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dürfe ungerufen das Schloß nicht betreten, wenn er davon ab—
ginge, würde ich den Oberhofmarschall sofort benachrichtigen.
Brummend entfernte er sich. —
Seit Ende Februar 1888 war der nächsten Umgebung des
Kaisers bereits eine mehr und mehr zunehmende Schwäche und
eine damit verbundene gelegentliche Teilnahmlosigkeit des hohen
Herrn aufgefallen; die trüben Nachrichten aus San Remo und
der plötzliche Tod seines jugendlichen Enkels, des Prinzen Ludwig
von Baden, hatten den greisen Herrscher tief erschüttert und er,
der sich bis dahin eines guten Schlafes erfreut, brachte manche
schlaflose Nacht zu, häufig in tiefer Bewegung, mit verhaltenen
Thränen, vor sich hinmurmelnd: „Mein armer Sohn, meine arme
Tochter, mein armer Ludwig.“
Auch während seiner letzten Lebenstage schlief der Kaiser
allein, da er es nicht liebte, daß während seines Schlafes jemand
im selben Gemach anwesend war. Zwei Wachskerzen und eine Ol—
lampe, deren Schein den in halbsitzender Stellung Ruhenden nicht
störte, brannten während der Nacht; auf dem Tischchen neben
dem Bette standen stets eine Tasse kalten Thees, Wasser, Mandel—
milch und eine kleine Repetieruhr. Der dienstthuende Garderobier
weilte im Nebenraum, dem sogenannten „Gelben Zimmer“, von
dem aus er durch einen im Schlafzimmer angebrachten Spiegel
den Monarchen sehen konnte.
Am Morgen des 8. März war der Zustand des teuren
kaiserlichen Herr schon sehr besorgniserregend, Tausende und
Abertausende standen in dumpfem Schweigen vor dem Palais
und harrten ängstlich der Nachrichten, die aus demselben kamen.
Um die Mittagsstunde traf Fürst Bismarck im Palais ein
und unterbreitete dem Kaiser die Botschaft des Reichstags—
schlusses. „Majestät dürfen ja nur ein Wmachen,“ meinte der
Kanzler, der Kaiser erwiderte: „Nein, nein, ich will versuchen,
den ganzen Namen zu schreiben, will mir Mühe geben.“
Um die fünfte Nachmittagsstunde erschien im Kranken—
zimmer der Oberhofprediger Kögel; er fragte den Kaiser, ob er