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zeitig hatte ein Lakai bestellt, daß die Königin mich am nächsten
Morgen früh 8 Uhr im Palais sprechen wolle. Ihre Majestät
war ebenfalls telegraphisch von allem unterrichtet worden, sie
wollte mir ihre Ansichten mitteilen und gewisse Verhaltungsregeln
für Wilhelmshöhe geben.
Zur festgesetzten Zeit ward ich sofort im Palais von der
Königin empfangen. Die hohe Frau hob zunächst hervor, wie
groß das Unglück sei, von welchem der Kaiser Napoleon betroffen
worden, man müsse aber bedenken, daß er immer noch ein Kaiser
und daß, als König Wilhelm sein Gast in Paris gewesen,
derselbe dort eine sehr freundliche Aufnahme gefunden und sich
Napoleon jederzeit im Verkehr sehr entgegenkommend gezeigt
hätte. Hierauf Rücksicht nehmend, wünsche sie also auch, daß er
in Wilhelmshöhe nicht als Gefangener, sondern als Gast be—
handelt werde; wenn ihm auch aus militärischen Rücksichten kein
preußischer Adjutant oder Kammerherr beigegeben werden könne,
so hoffe sie umsomehr, daß ich mit dem richtigen Takt den Dienst,
der mir anvertraut, ausführen und alles Erforderliche in erwünschter
Weise veranlassen werde.. Damit es mir für die Hofverwaltung
nicht an einigen guten Kräften fehle, wolle sie mir ihren ältesten
und besten Kammerdiener, einen geborenen Lothringer, der gut
französisch spreche, mitgeben und ihren ersten französischen Küchen—
meister. Das andere Personal möchte ich bestimmen und alles
so schnell wie möglich expedieren, da Napoleon ohne Aufenthalt
reisen würde. Sie wolle mich daher nicht lange aufhalten, da
meine Zeit kostbar sei.
Noch am 4. September ging die Ökonomie-Kolonne ab und
traf noch vor der Marstall-Abteilung ein, die erst Abends an—
kam. Von dem Augenblick meiner Ankunft am 5. September
früh kam Leben auf Wilhelmshöhe, zur Fürsorge hatte ich das
dortige Personal und viele Hilfspersonen telegraphisch bestellen
lassen, auch den alten kurhessischen Haushofmeister Rohde, der
mir eine große Hilfe war. Ihm bezeichnete ich zunächst die
Wohnungen, die ich für den Kaiser und die mitkommenden zehn