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Schon in Dresden hatte ihr Sohn, nachdem er früh—
zeitig als Einjährig-Freiwilliger gedient, sie verlassen,
um sich unter Leitung des Masstro Camperti in Mai—
land zum Sänger auszubilden. Bald wagte er sich
auch als Komponist hervor und ließ bei Bote und
Bock in Berlin „sechs Spielmannslieder“ zu Terxten
von Rudolf Baumbach erscheinen. Seine sympathische,
hohe Baritonstimme schien mehr für den Concertsaal
als für die Bühne geeignet, und so machte er denn
cin Tournée als Concertsänger, wobei er namentlich
geraume Seit in CLondon weilte. Von der hannoverschen
Prinzessin Friederike, die als Freifrau von Pawel—
Rammingen in London lebte, liegen mehrere Briefe an
Marie Seebach vor, die den großen Erfolg Oskar
Niemanns bestätigen.
Aber der Bühne galt doch sein Ehrgeiz, und er
suchte, seine hohe Baritonstimme zum Tenor umzubilden.
Bei der von Angelo Neumann im März 1889 ver—
anstalteten Aufführung des Wagnerschen „Ring der
Nibelungen“ in St. Petersburg sang Oskar Niemann
den Mime im „Rheingold“ und „Siegfried“ und er—
rang nach den vorliegenden Kritiken einen vollen Erfolg.
An diesem Sohne hing das ganze Herz«der Mutter,
und es schmerzte sie tief, nicht an einem Orte mit ihm
leben zu können. In ihren Briefen an ihn, sowohl
aus seinen frühesten Kinderjahren, wenn ihre Gastspiele
sie von ihm fernhielten, wie aus seinen Jünglings—
und Mannesjahren ist sie unerschöpflich in den Aus—
drücken ihrer Färtlichkeit. „Erlebt' ich fünfzig Jahr'
dich noch, mein Herzensjunge bleibst du doch!“ schließt