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die Stelle der heiligen Schrift wurde mir immer als Hauptbeweis
meines Vergehens vorgehalten. Da mir zur Zeit ein aus der Schrift
entlehnter Grund beisiel, brachte ich ihn, doch mit geringem Erfolge.
Ich sagte nämlich, mir schienen in der Bibel Redensarten vorzukommen,
welche mit den alten Lehren über astronomische Gegenstände im Ein—
klang wären, und dieser Art könnte die gegen mich angeführte Stelle
sein. Denn, bemerkte ich, im Buche Hiob, 37, 18. steht, die Himmel
seien fest und geglättet wie ein gegossener Spiegel. Elias ist's der dies
sagt: man sieht also, daß er dem Ptolemäischen System zufolge redet,
welches von der modernen Filosofie und dem gesunden Urtheil für falsch
erklärt worden ist. Pocht man nun so sehr auf den durch Josna be—
fohlenen Stillstand der Sonne, um zu beweisen, daß die Sonne sich
bewegt, so muß man auch diese Stelle beachten, in welcher vom Him—
mel geglaubt wird, er sei aus mehren spiegelartigen Himmeln zusam—
mengesetzt. Mir schien ein solcher Schluß richtig, aber Niemand hörte
darauf: statt aller Antwort gab's Achselzucken, die gewöhnliche Ausflucht
derer, welche auf Vorurtheil und vorgefaßte Meinung sich stützen. End⸗
lich ward ich genöthigt als wahrer Katholik meine Ansicht zurückzu—
nehmen, mein Dialog wurde zur Strafe verboten und mir nach fünf
Monaten gestattet Rom zu verlassen, indem mir, da die Stadt Florenz
von ansteckender Krankheit heimgesucht war, zum Gefaͤngniß mit groß—
müthigem Mitleid die Wohnung meines geliebtesten Freundes in Siena,
des Herrn Erzbischofs Piccolomini, angewiesen ward, dessen an—
ziehenden Umgang ich mit solcher Freude und Beruhigung genoß, daß
ich dort meine Studien wieder aufnahm, einen großen Theil der mecha⸗
nischen Schlüsse über den Widerstand der festen Körper nebst anderen
Entdeckungen fand und bewies, bis endlich, nach dem Aufhören der
Pest und nachdem etwa fünf Monate verstrichen waren, gegen Anfang
Dezembers in diesem Jahre 1683 Se. Heiligkeit mir erlaubte, die Be—
engtheit jenes Hauses mit der Freiheit des von mir so sehr geliebten