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die Weltpole geglaubt. Copernicus bezeichnete, vorsichtig, seine
Meinung nur als Hypothese, mit Recht, da viel dran fehlte, daß die—
selbe vollständig begründet und namentlich hinsichtlich der Erscheinungen
auf der Erde selbst alle Widersprüche gehoben gewesen wären, welche
zu entfernen erst den spätern Zeiten der Naturwissenschaften gelang.
Aber wie seine darauf gegründeten astronomischen Berechnungen bei der
Kalenderverbesserung zu Ende des 16. Jahrhunderts in Rom selbst zu
Grunde gelegt wurden, so sindet sich nicht, daß die Kirche gegen diese
Ansicht Einspruch gethan hätte. Galileo'n konnte also schwerlich ein
Vorwurf daraus gemacht werden, daß er, ohne in religiöser Hinsicht
einen Anstoß zu vermuthen, bald nach seiner Ankunft in Florenz seine
Hinneigung zur Copernikanischen Meinung als Resultat seiner Himmels⸗
beobachtungen kundgab.
Aber die Verfolgung blieb nicht aus.
Es war das Jahr 1615. Ein Dominikaner, der Pater Caceini,
war einer der ersten Ankläger. Von der Kanzel herab predigte er: sein
Text waren die Worte des ersten Kapitels der ApostelgeschichteIhr
Maͤnner Galiläa's, was stehet ihr hier und schauet gen Himmel?“
(Viri Galilæi, quid statis aspicientes in cælum.) Der Dominikaner⸗
general Maraffi entschuldigte sich bei Galileo wegen des „Scandals
und Unsinns“ — „zu meinem Unglück, schrieb er, soll ich für alle
Dummheiten stehn, welche dreißig- bis vierzigtausend Mönche anstiften.“
Doch es blieb nicht dabei, und als Galileo in einem Schreiben an
Monsignor Dini seine Ansicht näher erläuterte und in einer langen
Abhandlung, in Form eines Schreibens an die verwittwete Großher⸗
zogin von Toscana, Christine von Lothringen, auch die theologische
Seite in Betracht zog, wurde er in Rom foͤrmlich verklagt. Man hatte
dort zu Anfang einen so verstaäͤndigen wie gemäßigten Mittelweg einge—
schlagen. Dini schrieb auf Veranlassung des Cardinals Robert
Bellarmin, damals die erste Autorität in kirchlichen Dingen: wenn
Galileo diese Frage nur vom mathematischen Standpunkie aus behandle,