— 85 —
eine unzüchtige Handlung öffentlich ein Aergerniß giebt“ u. s. w.
Nun, m. H, ich war von jeher dagegen, ich habe von jeher
opponirt und gesagt: Reden sind keine Handlungen; wenn
das Gesetz Handlungen hervorhebt, so will es eben gerade den
Gegensatz des logischen Begriffs dadurch markiren. Aber wir
sind nicht durchgedrungen. Das Reichsgericht ist ständig
anderer Ansicht. Das Reichsgericht hat immer damit ärgu—
mentirt, daß eine große Reihe von Paragraphen des Straf—
gesetzbduchs das Wort Handlungen gebraucht, wo unzweifelhaft
auch Reden verstanden sind, sodaß also kein Grund vorhanden
wäre, hier etwas Anderes anzunehmen.
In unseren Falle wäre nun sicher diese nämliche Aus—
legung zu erwarten. Wenn man in 8 188 unter Hand—
lungen auch Reden versteht, so sicher auch in 8S 1844. Ja,
nun denke man sich die Consequenzen! Da brauchen wir nicht
erst von unserem verehrten Herrn Sudermann zu reden:
dann werden Sie Goethe, Shakespeare, Richard Wagner,
oder ich meine nicht sie, sondern die Darsteller derselben in
die größte Gesahr bringen. Dann darf eine Julie nicht mehr
sagen: „Es ist die Nachtigall und nicht die Lerche,“ sondern
die Julie muß, wenn die Nachtigall beginnt, den Romeo heim
schicken (Heiterkeit) und ihm erklären, daß er bei ihr nicht
mehr bleiben kann (Heiterkeit), oder wenn der Tannhäuser mit
dem Ausdruck kommt „zu viel, zu viel“, dann muß man, um
jede verfängliche Deutung auszuschließen, irgend einen Zusatz
machen, also z. B. „zu viel vom Glanze Deiner schönen
Augen“ (Heiterkeit), oder irgend etwas Aehnliches. (Heiterkeit.)
M. H., man hat nun darauf verwiesen, daß durch die
Reden im Reichstag der Sache eine ganz bestimmte Inter—
pretation gegeben würde, und daß die Gerichte durch eine solche
Interpretation rechtlich gebunden seien. Man müsse dann sagen:
es wurde ausdrücklich vom Regierungstisch erklärt: das und