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Eines kam hinzu: daß sie mir treu gewesen war.
In der letzten Zeit, als ich mich frei wünschte,
wäre es meine größte Genugtuung gewesen, sie auf
einer Untreue zu ertappen, dann hatte ich einen Grund,
die Fessel zu brechen. — Aber den gab sie mir nicht.
Alle betrogen sie ihren Geliebten — nur sie war
treu. —
Nie hatte ich bei ihr einen anderen Gedanken be—
merkt, nie gesehen, daß sie Interesse für eineri anderen
Mann gehegt hatte. Das hielt ich immer für das häß—
lichste, wie ein Mann das beste, was er zu geben hat,
an eine unwürdige verschwendet.
Davor war ich bewahrt geblieben, weil sie nie⸗
manden kannte.
So waren zuletzt selbst ihre besten Eigenschaften
mir eine Quelle der Unzufriedenheit geworden.
Fern von ihr, fielen mir all die Eigenschaften an
ihr ein, die mich gehalten hatten, daß ich vieles ertrug,
was jedem anderen unerträglich gewesen wäre. —
Wenn ich in Berlin geblieben wäre, weiß ich nicht,
ob ich in der Stimmung nicht zu ihr geeilt wäre; denn
nun hatte ich Angst, und wollte und mußte verhindern,
daß sie sich in ihrer Verlassenheit ein Leid antat. —
So wachte ich den Morgen heran, aber dann ge⸗
wannen im hellen Licht des Tages wieder andere Ge⸗
danken die Oberhand. — Der Bruch war da, und es