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Die stille Insel

Full text: Neu-Berlin / Szczepanski, Paul von (Public Domain)

56 — 
Friedrichstraße und Charlottenstraße nahe der Stern— 
warte erwarb und auf diesem eine Gärtnerei errichtete, 
an der die Berliner ihr blaues Wunder erleben sollten. 
Damals war Berlin freilich noch keine Weltstadt, die sich 
durch nichts mehr imponieren luͤßt — jedermann sprach 
von den Riesenspargeln, welche Horace Tallendier züch? 
tete, indem er schwarze Flaschen auf die hervorbrechenden 
Köpfe stülpte, und zur Zeit der Rosenblüte gaben sich 
die Vornehmen und Reichen in seinem Garten ein Rendez⸗ 
vous, um dort die neuesten Rosenarten zu bewundern 
und sich auf den grüngestrichenen Bänken in den lau— 
schigen Lauben den Kaffee schmecken zu lassen, welchen 
die deutsche Madame Tallendier eigenhändig bereitete, 
und der sich eines nicht geringeren Rufes erfreute als 
die Gartenerzeugnisse ihres französischen Gemahls. Die 
Besitzer der Vergnügungslokale, Unter den Zelten“ wurden 
darüber sogar so eifersüchtig, daß sie sich in einer Biit— 
schrift an den König wandlen, durch einen Machtspruch 
der Schädigung ihres Gewerbes Einhalt zu thun— Dieser 
aber reskribierte, daß in seinen Landen die Fremden in 
ihrem Fortkommen zu unterstützen seien, und daß man 
ihnen ihren Verdienst nicht mißgönnen dürfe. Horace 
Tallendier war dankbar für den königlichen Schutz, und 
wenn er auch bis an sein Lebensende die deutsche Sprache 
in einer wahrhaft grausamen Weise mißhandelte, so gab 
es doch keinen begeisterteren Preußen als ihn in der 
Residenzstadt der preußischen Könige. Er starb, nachdem 
er seine einzige Tochter wohlausgestattet verheiratet hatte, 
und sein einziger Sohn, der niemals die französische 
Sprache erlernte, wie sein Vater niemals die deutsche 
erlernt hatte, setzte das Geschäft mit gleichem Glücke fort. 
Es kümmerte diesen wenig, daß nach Meinung der 
Leute er mit seinen Kindern weniger Glück hatte als 
mit seinem Geschäfte. Auch er hatte deren zwei, einen 
Sohn und eine Tochter, aber auf den ersteren war nichts 
von der praktischen Thatkraft seines Vaters und seines 
Großvaters übergegangen — er war ein schüchterner 
Junge, der am liebsten zu Hause hockte —, und die
	        
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