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Friedrichstraße und Charlottenstraße nahe der Stern—
warte erwarb und auf diesem eine Gärtnerei errichtete,
an der die Berliner ihr blaues Wunder erleben sollten.
Damals war Berlin freilich noch keine Weltstadt, die sich
durch nichts mehr imponieren luͤßt — jedermann sprach
von den Riesenspargeln, welche Horace Tallendier züch?
tete, indem er schwarze Flaschen auf die hervorbrechenden
Köpfe stülpte, und zur Zeit der Rosenblüte gaben sich
die Vornehmen und Reichen in seinem Garten ein Rendez⸗
vous, um dort die neuesten Rosenarten zu bewundern
und sich auf den grüngestrichenen Bänken in den lau—
schigen Lauben den Kaffee schmecken zu lassen, welchen
die deutsche Madame Tallendier eigenhändig bereitete,
und der sich eines nicht geringeren Rufes erfreute als
die Gartenerzeugnisse ihres französischen Gemahls. Die
Besitzer der Vergnügungslokale, Unter den Zelten“ wurden
darüber sogar so eifersüchtig, daß sie sich in einer Biit—
schrift an den König wandlen, durch einen Machtspruch
der Schädigung ihres Gewerbes Einhalt zu thun— Dieser
aber reskribierte, daß in seinen Landen die Fremden in
ihrem Fortkommen zu unterstützen seien, und daß man
ihnen ihren Verdienst nicht mißgönnen dürfe. Horace
Tallendier war dankbar für den königlichen Schutz, und
wenn er auch bis an sein Lebensende die deutsche Sprache
in einer wahrhaft grausamen Weise mißhandelte, so gab
es doch keinen begeisterteren Preußen als ihn in der
Residenzstadt der preußischen Könige. Er starb, nachdem
er seine einzige Tochter wohlausgestattet verheiratet hatte,
und sein einziger Sohn, der niemals die französische
Sprache erlernte, wie sein Vater niemals die deutsche
erlernt hatte, setzte das Geschäft mit gleichem Glücke fort.
Es kümmerte diesen wenig, daß nach Meinung der
Leute er mit seinen Kindern weniger Glück hatte als
mit seinem Geschäfte. Auch er hatte deren zwei, einen
Sohn und eine Tochter, aber auf den ersteren war nichts
von der praktischen Thatkraft seines Vaters und seines
Großvaters übergegangen — er war ein schüchterner
Junge, der am liebsten zu Hause hockte —, und die