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ihr etwa folgen sollten, dadurch abzuschrecken, daß sie in
ihnen den Glauben erweckte, sie wohne hier im Hause.
Dann aber schlug die Stimmung der Betrunkenen um,
und sie fanden es empörend, daß eine Frau sich energisch
ihrer Haut gewehrt hatte. — „Det wäre ja noch scheener,
wenn so eine anständige Leute bei sternklarer Nacht maul—
schellieren dürfte,“ meinte einer, und unter Schimpfen
und Fluchen begab sich die Bande an die Verfolgung.
Bald hatten fie auch die eng in den Thorbogen gedrückte
Frau entdeckt, der die Sache doch ängstlich zu werden
begann und die daher mit gellender Stimme nach dem
Wächter rief, der natürlich, wie meist bei solchen Gelegen⸗
heiten, sich gerade am entgegengesetzten Ende seines
Reviers befand. Ohne einige derbe Püffe wäre Frau
Plock an diesem Abende wahrscheinlich nicht nach Hause
gekommen, wenn ihr nicht unerwartet ein Retter erstanden
wäre. Der wiederholte Hilferuf und das Geschrei der
Betrunkenen veranlaßte einen Menschen, der auf dem
jenseitigen Trottoir seines Weges ging, still zu stehen.
Er hatte eigentlich gar nicht die Absicht, sich in die
Sache hineinzumischen, aber als echter Berliner glaubte
er zu all dem Geschrei seinen Senf auch hinzugeben zu
müssen. So rief er denn mit einer Stentorstimme,
welche die Betrunkenen sofort aufhorchen machte, von
der gegenüberliegenden Straßenseite herüber: „Immer
stille, Radaubrieder! Seit wann haben denn die Dall—
dorfer*) Sonnabend abend ihre Freistunde?“
Die Herausforderung blieb natürlich nicht ohne Ant—
wort, die Kampfreden schallten wie bei den homerischen
Helden hinüber und herüber, und als dem von drüben
die Sache zu toll wurde, kam er mit einigen langen
Schritten über den Fahrdamm, packte zwei von der
Bande und stieß sie mit den Köpfen gegeneinander, daß
ihnen Hören und Sehen verging, machte mit zwei Faust-
schlägen auf die Nase zwei andre kampfunfähig und
*) Insassen des städtischen Irrenhauses in Dalldorf.