104 —
Chef sehr logisch antwortete, daß er in der Wasserleitung
keinen Rheinlachs angeln könne. Da öffnete sich die kleine
Thür, welche aus dem Büffettraum nach dem Souterrain
führte und durch endlose Kellerräume eine zweite Ver—
bindung der Festsäle mit den Vorderräumen herstellte, so
daß man an das Büffett gelangen konnte, ohne von den
Gästen gesehen zu werden, und Frau Bühler trat herein
in nachlässiger Haustoilette und mit allen Zeichen einer
großen Angst auf ihrem hübschen Gesicht. „Der kleine
Otto ist krank, seit einer Stunde,“ sagte sie hastig, und
als Herr Bühler sie noch immer ein wenig ungehalten
anschaute, fügte sie aufschluchzend hinzu: „Der Arzt
ist bei ihm; er sagt, es sei Diphtheritis und Gefahr im
Verzuge.“
Da vergaß Herr Bühler, daß der Rheinlachs zu knapp
geraten war; er dachte nicht einmal daran, dem Ober—
kellner Weisungen für seine Vertretung zu erteilen, er
eilte die kleine Hintertreppe hinunter und durch die lange
Kellerflucht, daß er Gefahr lief, sich in den schlecht er—
leuchteten Gängen den Hals zu brechen, und seine Frau
ihm kaum zu folgen vermochte. Und als Herr Buͤhler
rasch und geräuschvoll in das Kinderzimmer trat, in das
er sonst um diese Stunde so häufig auf den Fußspitzen
geschlichen war, um die Atemzüge seines schlafenden Lieb—
lings zu belauschen, als ihm aus dem kleinen Bettchen
ein schreckliches Röcheln entgegentönte, und als er die ver—
zerrten Züge und die verglasten Augen seines Sohnes
sah, da stürzte Herr Bühler an dem Bett seines Kindes
nieder, als ob ihn ein Schlag vor den Kopf getroffen
habe, und ein herzzerreißender Schrei entrang sich seinen
Lippen: „Mein Sohn!“
Der alte Arzt, welcher an dem Bette des Kranken
stand, hatte derlei Scenen wohl häufig gesehen. Er rüt—
telte Herrn Bühler derb an der Schulter. „Das nützt
hier nichts, Herr Direktor. Wenn der Kleine gerettet
werden soll, muß er sofort nach Bethanien, und je eher
der Luftschnitt gemacht wird, desto größer ist die Hoff—
nung, ihn durchzubringen.“ Der Arzt hatte das Rechte