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noch mehr ein, wo er ihr doch hätte helfen müssen, sich
in die neuen Verhältnisse hineinzufinden.
Es sah unerquicklich genug in dem Innern des
Herrn Otto Bühler aus, und die ihn beneideten, dachten
nur an das Glänzende seiner Lebensstellung. Er begann
seine Frau als eine Last zu empfinden und machte sich
Vorwürfe darüber, daß er sich vorschnell gebunden, ehe
er noch auf dem, wie er meinte, ihm zukommenden Platze
gestanden, der ihm freistellte, nicht nur der Stimme seines
Herzens zu folgen, sondern auch Vernunftgründe sprechen
zu lassen. Er vergaß, daß er bei keiner andern Frau
die selbstlose, hingebende Liebe gefunden haben würde,
mit der sein Weib an ihm hing, und daß ein Mädchen
aus guter Familie und mit Vermögen auch Ansprüche
mitgebracht haben würde, die beides aufgewogen hätten.
Eine Art Cäsarenwahnsinn ergriff Herrn Otto Bühler,
trotzdem er auf keinem Kaiserthrone saß, und wenn er
von dem Balkon seines Hotels mit dem blinkenden ver—
goldeten Gitter über den Platz hinüberblickte, der all—
gemach durch Neubauten ein stattliches Ansehen erhielt
und dem der die Königstraße in kühnem Bogen über—
brückende Viadukt der Stadtbahn einen pittoresken Ab—
schluß gab, dann meinte der Direktor des Grand Hotel
fast nichts anders, als daß dieses ganze, große neue Berlin
nur entstanden sei, um für ihn den ihm gebührenden
Platz zu schaffen. Für ihn, Otto Bühler, und seinen
Sohn! Denn an ihm, an diesem kleinen, zappelnden
Burschen, der über die ersten Gehversuche noch nicht
hinausgekommen war und der Beweise von Intelligenz
nur gegeben hatte, indem er sich bemühte, „Papa“ und
„Mama“ zu lallen, hing er mit aller seiner Liebesfähig—
keit. Seine Frau, meinte Herr Otto Bühler, hindere
ihn, ganz die Stellung in der Welt und der Gesellschaft
einzunehmen, die ihm gebühre, aber sein Sohn solle
emporsteigen wie ein glänzendes Meteor, frei von all dem
Zwange, der seine eigne Jugend eingeengt, und durch
den Sohn meinte er selbst zu doppelten Ehren zu kommen.
Er hatte kein Liebeswort mehr für seine Frau, aber aus