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später, als er im Gefängniß saß, so viele schwärmerische Liebes—
briefe von einer Anzahl selbst hochstehender Damen ein.“)
Doch wir wollen den Ereignissen nicht vorauseilen, sondern
folgen den Räubern nach ihrem Rastplatze in den bayrischen
Wäldern.
Die Räuber lagerten auf einer Anhöhe unter Bäumen.
„Dort kommt der Hauptmann!“ rief der Flecklbauer.
Mühevollen Schrittes nahte Kneißl, die nie versagende
Flinte auf dem Rücken, die Drillinge auf dem Arme. Ihm folgte
der Holzleitner mit der Beute.
Vorsichtig lud Kneißl die Drillinge ins weiche Moos ab
und warf sich selbst auf die Erde. „Hier muß ich liegen bleiben!“
sprach er. „Meine Glieder sind wie abgeschlagen, meine Zunge
trocken wie ein Scherben.“
„Der Wein ist all' in unseren Schläuchen!“ sagte der
Rieger.
Da trat aus dem Tannendickicht eine anmuthige Gestalt.
Rothe Schnürstiefel umschlossen ihre zierlichen Füßchen, das licht—
grüne, seidene, kurze Kleid ließ ein Paar wohlgebauter, weiß—
bestrumpfter Waden sehen. Eine mit Schwan besetzte Ulanka
aus braunem Sammt schmiegte sich in entzückender Knappheit
um eine tadellose Büste und auf dem lichtblonden Wellenscheitel
saß neckisch eine scharlachrothe Confederatka mit langer Gold—
troddel An der linken Seite trug sie an einem hellblauen
Moiréebande ein zierliches Fäßchen, worauf in Brandmalerei
der Spruch zu lesen war:
Alle für Eine;
Eine für Alle.
Kneißl wollte sich erheben, allein er war zu schwach.
er hatte als Bayer zu lange gedurstet.
*) Thatsache nach den Prozeßverhandlungen, worüber in den Zeitungen
schmähende Bemerkungen gemacht wurden und zwar mit Unrecht. Denn wie
iagt Goethe? „Gefühl ist Alles“. Und die Damen, welche Goethe be—
griffen hatten, spürten jetzt das Verlangen, den Kneißl zu begreifen. Dies
lonnte, da sie nicht zu ihm gelassen wurden, nur auf brieflichem Wege ge⸗—
schehen und ist spychologisch erklär- und dadurch entschuldbar.