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Brief voll Liebe und Freude, der auch beantwortet
wurde. Zu der Hochzeit wurde sie eingeladen,
nicht aber ihr Mann. Sie zerriß die Karte und
sagte Richard nichts davon.
Allmählich wurde Frau Ohnesorge Klaras
Freundin. Sie drängte sich ihr auf, und ganz
langsam wurde sie Klara unentbehrlich. Die grenzen—
lose Einsamkeit war nicht zu ertragen, und Frau
Ohnesorge hatte eine nette Manier, die Leute zu
unterhalten. Sie hatte vier Zimmer zu vermieten,
in denen Studenten wohnten. War Semester, so
lebte sie in dulci jubilo; waren Ferien, so mußte sie
krumm liegen und verwünschte dann alle Universi—
täten, Studenten und was damit zusammenhängt.
Da sie dieses schwankende Geschäft schon seit zwanzig
Jahren betrieb, war sie mit der Studentenschaft
und deren Gebräuchen vertraut und hatte eine
Zeitlang den großen Plan, einen bürgerlichen
Mittagstisch einzurichten. Sie besuchte häufig das
Theater und redete sich merkwürdigerweise ein,
einer ziemlich hohen Bildungsstufe anzugehören.
Klara gefiel ihr, und als sie hörte, daß die junge
Frau eine Geheimratstochter und mit den berühm—
testen Leuten verwandt sei, tat sie alle ihre bis—
herigen Freundinnen in den Bann und schloß sich
ganz an Klara. Sie ging mit ihr in die Markt—
halle, zeigte ihr die Behandlung der Wäsche und
W. Meyer-Förster, Alltagsleute 24