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wie er — um sich vor seiner Frau zu zeigen —
die kleinen Kellner in Trab brachte und ihre ver—
schlafenen Augen hell machte. Das erstemal, als
sie ihn im Speisesaal traf im schwarzen Frack, die
Serviette über dem Arm, war es ihr gewesen, als
ob alles Männliche, Tüchtige, was sie um ihn
zurechtgewoben hatte, wie Spinnweb zerflattere.
Aber auch daran hatte sie sich gewöhnt, und sie
mußte sich eingestehen, daß Richard ein fleißiger,
tüchtiger Mensch sei, der einen ehrenwerten Beruf
mit aller Anstrengung ausfüllte.
Wenn nur diese Einsamkeit nicht gewesen wäre!
In dem kleinen Haushalt war wenig zu tun, und
die Aufwartefrau hatte sie abgeschafft. Die Wäsche
besorgte sie selbst, und da ihr Maun stets in tadel—
losem Leinenzeug sich zu präsentieren hatte, gab
es damit Arbeit in Fülle. Aber doch blieben zahl—
lose Mußestunden, namentlich abends und nachis,
wenn sie auf ihren Mann wartete. Sie holte sich
aus der Leihbibliothek Romane, was die Geheim—
rätin aus einem ihr eigentümlichen spartanischen
Grundsatze nie gelitten hatte, und diese fremde,
schillernde Welt der Bücher weckte in der einsamen
Frau nie gekannte Gedanken. Sie begann zu ver—
gleichen, ihr einförmiges, freudenloses Leben mit
den romantischen Schicksalen der Bücherheldinnen;
glücklicher machten die Bücher sie nicht.