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sie würde mehr zur Verjüngung der Sprache bei—
tragen können, als irgend eine andere. Aber
auch sonst würde sie Folgen haben, die man
schwerlich überschätzen kann. Unser Vaterland ist
ja politisch geeinigt, aber so zu sagen land—
schaftlich nicht. Deutschland ist zu groß, als daß
man alle seine Gauen aus eigener Erfahrung
kennen könnte. Der Holsteiner lernt vielleicht nie
Baden oder Württemberg oder Bayern oder
Schlesien kennen. Wenn aber die Bauernkunst
blüht, blüht auch der Sang der Heimat und die
Dichtkunst vereint, was räumlich getrennt ist. Wir
werden aber kein Volk, so lange wir nicht mit—
einander fühlen lernen. Ich habe keine Heimat,
wo ich Cand und Leute nicht kenne, und somit ist
es am Ende auch politisch nicht ganz unwesentlich,
daß eine Kunst entsteht, die das Evangelium
ihrer Heimat über die Grenzen ihrer Heimat
hinausträgt. —
Freilich, es giebt CLeute, die alle Bauern—
kunst mit dem wuchtigen Satz niederschlagen, daß
die „einfache Seele“ des Bauern für uns hoch—
entwickelte Uulturmenschen keine nennenswerten
Dinge enthaͤlte. Ach, wenn doch in ihrer „hohen
Nulturentwicklung“ der Verstand nicht so trüb—
elig zurückgeblieben wäre. Weil sie die Bauern
nicht kennen, scheinen sie ihnen so ziemlich alle
gleich auszusehen, und darum haͤlten sie sie für
eine einfache, unentwickelte Menschengattung. Wir