Path:
Sinnlichkeit, Askese, Kunst

Full text: Berliner Kämpfe / Schlaikjer, Erich (Public Domain)

162 
Fußnote zu seinen Briefen über die ästhetische 
Erziehung des Menschen sagt er: 
Der schlimme Einfluß einer überwiegenden Sen— 
sualität auf unser Denken und Handeln fällt jedermann 
seicht in die Augen; nicht so leicht, ob er gleich ebenso 
häufig vorkommt und ebenso wichtig ist, der nachteilige 
Einfluß einer überwiegenden Rationalität auf unsere 
Erkenntnis und auf unser Betragen. 
Schiller führt für diesen nachteiligen Einfluß 
dann zwei Fälle an, von denen der eine um seiner 
illustrierenden Kraft willen hier wiedergegeben 
werden soll. Eine der vornehmsten Ursachen, 
meint er, warum unsere Naturwissenschaften so 
langsame Schritte machen, ist offenbar der allge— 
meine und kaum bezwingbare Hang zu teleologischen 
Urteilen, bei denen sich das bestimmende Ver— 
mögen dem empfangenden unterschiebt. Die 
Natur mag unsere Organe noch so nachdrücklich 
und noch so vielfach berühren — alle ihre Mannig-— 
faltigkeit ist verloren für uns, weil wir nichts 
suchen, als was wir in sie hineingelegt haben; 
weil wir ihr nicht erlauben, sich gegen uns herein 
zu bewegen, sondern vielmehr mit ungeduldig vor— 
zreifender Vernunft gegen sie hinausstreben. 
Rommt alsdann in Jahrhunderten einer, der sich 
ihr mit ruhigen, keuschen und offenen Sinnen naht, 
und deswegen auf eine Menge von Erscheinungen 
stößt, die wir bei unserer Prävention übersehen 
haben, so erstaunen wir freilich darüber, daß so 
viele Augen bei so hellem Tag nichts bemerkt
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.