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der Sinne giebt. Der Versucher spricht in diesem
Fall: „Chue alles ab, was vergänglich ist. Weise
die Freuden der Welt von Dir und entscheide Dich
für die dauernden Freuden der geistigen Arbeit.
Caß fahren, was Du als nichtis erkannt hast und
verhilf Deiner geistigen Natur zu vollem Durch—
bruch und zu vollem Sieg. Erringe um diesen
Preis den Frieden der weltentfernten Ulosterzelle,
der wohl streng und hart, immer aber doch ein
Zustand des Friedens ist.“ Gewiß, man muß
eine vornehme Natur sein, um diese Versuchung
an sich zu erfahren. Nichtsdestoweniger aber bleibt
es eine Versuchung und ihr nachgeben heißt —
menschlich gesehen — fallen.
Der Fall vor der Sinnlichkeit ist allgemeiner
und wird daher im allgemeinen Bewußtsein stärker
als Fall empfunden. Schließlich aber kommt es
auf eins heraus, ob man die sinnliche oder geistige
Natur unterjocht. In beiden Fällen tritt der
siegende Teil eine Alleinherrschaft an, die sich bald
zu einer Schreckensherrschaft entwickelt, und es ist
ein gedankenloses Vorurteil, daß die Tyrannei der
geistigen Natur weniger peinliche Folgen habe,
als die der sinnlichen. Wer die Sinnlichkeit will,
und nur die Sinnlichkeit, wird — wie wir sahen
— schließlich auch darum betrogen. Wer seine
geistige Natur schrankenlos herrschen läßt, wird
schließlich auch um die geistige Kultur betrogen.
Ich berufe mich dafür auf Schiller. In einer
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