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Zehntes Capitel.
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den edlen Gefangenen bekannt“) im Vaterlande durch Heraus⸗
gabe seines Schauspiels Amphitryon nach Moliere, einer der
merkwürdigsten und anziehendsten Kampfübungen des germa⸗
nischen Genius mit dem neufranzösischen. Wie dem Komiker
des Louis XIV. der Sosie die Hauptperson des Ganzen ist,
und er sich vorzüglich bemüht hat, ihn aus der Antike herüber
recht lebendig zu nationalisiren, — allerdings mit ausgezeich⸗
netem Erfolg, — so hat ihm der deutsche Dichter des 19.
Jahrhunderts mit heiterer Anerkennung den Sieg hierin ohne
Weiteres überlassen, und begnügt sich in diesem Bezuge nur
als Uebersetzer aufzutreten. Wo es aber den Hauptgegenstand
der Dichtung gilt, welchen Moliere als eine frivole Galanterie
leichthin und dennoch in moderner Förmlichkeit vor uns vorüber⸗
führt, daß man dabei an die mythologischen Tapetenfiguren
seiner Zeit denken muß, — Himmel, welch' eine reiche Tiefe
von Ahnungen ist da dem deutschen Dichter aufgegangen, und
in welch' edlen Zauberzungen spricht er sich aus! — Die
Dichtung ward durch eine eben so glänzende als gründ—
liche Recension angekündigt in einem allgemein anerkannten
Blatt, — aber die Deutschen, in ihr damaliges Unglück, und
überhaupt in die Politik wohl etwas mehr noch als billig,
versunken, nahmen von der poetischen Erscheinung des dritten
Kleist wenig Notiz. Dennoch, als nun der Friede die Bande
des Dichters gelöst hatte, und er in Verbindung mit seinem
Freunde Adam Müller die Zeitschrift Phöbus herausgab,
zeigten sich viele Gemüther von seinem etwas schroffen, aber
unaussprechlich genialen Auftreten ergriffen. In dem schönen
Dresden, von vielen edlen und begabten Freunden umgeben,
N Schon früher hatte Heinrich sein eben so ungestümes als zärt—
liches Trauerspiel: Die Familie Schroffenstein, drucken lassen,
aber anonym; auch war es leider wenig bekannt geworden. (Anmerkung
Fouqué's.)