Adam Müller über Henriette Vogel. 681
„Wie zwei der ausgezeichnetsten Naturen, auf diese Weise
alle göttlichen und menschlichen Gesetze verachtend bei Seite
setzen, und in frevelhafter Gemeinschaft die Thüre erbrechen
konnten, welche zu eröffnen der Himmel sich selbst vorbehält,
bedarf keiner weiteren Erklärung. Wenn sie auch die größte
Charakterstärke bewiesen hätten, so ist das neben dem Gesetze,
welches sie verletzt, eine Kleinigkeit. Weit davon entfernt, sie
zu rechtfertigen, oder auch nur zu entschuldigen, klagen die
hinterbliebenen Freunde zuförderst sie aufs stärkste an. Dann
aber ist es ihnen auch erlaubt zu sagen, daß das Leben beider
übrigens so rein und fleckenlos war, als es ohne den höheren
Glauben, den sie durch ihr Ende verläugneten, überhaupt seyn
konnte; ferner, daß Kleist wahr, ohne Falsch und ohne Ziererei
irgend einer Art gewesen, und daß also seine That wenigstens
durchaus frei von dem theatralischen Lichte war, welches falsche
Emphase einerseits und Unverstand andrerseits darauf hat
werfen wollen. Wie er es als tragischer Dichter gemeint hat,
und was er geleistet, und was also Teutschland an ihm ver—⸗
loren hat, wird, wie in solchen Fällen gewöhnlich, erst die
Zukunft zu würdigen wissen.“
Adam Müller gab freilich preis, was er nicht gut heißen
durfte. Aber im übrigen bekennt er sich zur todten Freundin
und zum todten Freunde, an dessen Genius er unerschüttert
glaubt, wie damals zuerst, als er den Amphitryon Kleist's ins
Publicum hinaussandte. Er breitet einen Hauch von Rein⸗
heit über Kleist's und seiner Freundin Leben, darin einver⸗
standen mit dem Gewährsmann der Times, vom 28. Decem—⸗
ber 1811, der nachdrücklich dem Gerüchte widersprach, that
love was in any respect the cause of this infortunateé
affair.
Achim von Arnim war in Frankfurt, als Kleist aus dem
Leben schied. Er hatte mit Bettinen eine Reise an den Rhein