Militärische Bravour.
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Kleist bei seiner Uebertragung frei und kühn bewegt. Chateau⸗
neuf muß damals viel gelesen worden sein. Als 1810 ein
(ufällig hier vorhandener) angeblicher Anhang zu Chateauneuf
erschien, in dem sich der ungenannte Autor sehr bösartig über
Friedrich Wilhelm III. ausließ, nahm sich Adam Müller in
einer Literarnotiz der Abendblätter (Nr. 19, 1810) dieses
Machwerk vor und gab die freche Unwissenheit des Verfassers
dem Gespötte der preußischen Leser preis: und zwar ohne
Person und Namen des regierenden Herrn mit einer Silbe
zu erwähnen und in die Debatte zu ziehen.
16. Unwahrscheinliche Wahrhaftigkeiten.
Der „Hauptmann“, sahen wir, macht bei Kleist Figur.
kleist wäre, wenn er das Militär nicht verlassen hätte, um
isII nach fast zwanzigjähriger Dienstzeit, selber Hauptmann
gewesen: wie er ja wirklich im Herbste 1811 wieder als
Hauptmann in die Armee eingestellt zu werden Aussicht hatte.
Als „Hauptmann“ bringt er denn auch selber im 8. Abend⸗
blatte, vom 10. Januar 1811, drei „Unwahrscheinliche Wahr⸗
haftigkeiten⸗ vor, die man mit Recht bereits in seine Werke
aufgenommen hat. Die Tendenz des Artikels ist eine anti⸗
rationalistische. Gegen die landläufige Forderung, daß die
Wahrheit auch wahrscheinlich sein müsse, führt Kleist als
höhere Instanz die Erfahrung vor, die lehre, daß die
Wahrscheinlichteit nicht immer auf Seiten der Wahrheit sei:
ein Satz, der (wie Minor im Euphorion 1894 aufgewiesen
hat) auch im Michael Kohlhaas stec.
Zwei von den unwahrscheinlichen Wahrhaftigkeiten sind,
meines Erachtens, eigene Erlebnisse Kleist's, während die
dritte, Schiller's Geschichte des Abfalls der Niederlande (Hempel
II, 150 entnommen, dazu bestimmt ist, autoritativ jeden
vorgebrachten Zweifel niederzuschlagen.