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Achtes Capitel. Heinrich von Kleist als Autor in den Abendblättern

Full text: Heinrich von Kleist's Berliner Kämpfe / Steig, Reinhold (Public Domain)

Militärische Bravour. 
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Kleist bei seiner Uebertragung frei und kühn bewegt. Chateau⸗ 
neuf muß damals viel gelesen worden sein. Als 1810 ein 
(ufällig hier vorhandener) angeblicher Anhang zu Chateauneuf 
erschien, in dem sich der ungenannte Autor sehr bösartig über 
Friedrich Wilhelm III. ausließ, nahm sich Adam Müller in 
einer Literarnotiz der Abendblätter (Nr. 19, 1810) dieses 
Machwerk vor und gab die freche Unwissenheit des Verfassers 
dem Gespötte der preußischen Leser preis: und zwar ohne 
Person und Namen des regierenden Herrn mit einer Silbe 
zu erwähnen und in die Debatte zu ziehen. 
16. Unwahrscheinliche Wahrhaftigkeiten. 
Der „Hauptmann“, sahen wir, macht bei Kleist Figur. 
kleist wäre, wenn er das Militär nicht verlassen hätte, um 
isII nach fast zwanzigjähriger Dienstzeit, selber Hauptmann 
gewesen: wie er ja wirklich im Herbste 1811 wieder als 
Hauptmann in die Armee eingestellt zu werden Aussicht hatte. 
Als „Hauptmann“ bringt er denn auch selber im 8. Abend⸗ 
blatte, vom 10. Januar 1811, drei „Unwahrscheinliche Wahr⸗ 
haftigkeiten⸗ vor, die man mit Recht bereits in seine Werke 
aufgenommen hat. Die Tendenz des Artikels ist eine anti⸗ 
rationalistische. Gegen die landläufige Forderung, daß die 
Wahrheit auch wahrscheinlich sein müsse, führt Kleist als 
höhere Instanz die Erfahrung vor, die lehre, daß die 
Wahrscheinlichteit nicht immer auf Seiten der Wahrheit sei: 
ein Satz, der (wie Minor im Euphorion 1894 aufgewiesen 
hat) auch im Michael Kohlhaas stec. 
Zwei von den unwahrscheinlichen Wahrhaftigkeiten sind, 
meines Erachtens, eigene Erlebnisse Kleist's, während die 
dritte, Schiller's Geschichte des Abfalls der Niederlande (Hempel 
II, 150 entnommen, dazu bestimmt ist, autoritativ jeden 
vorgebrachten Zweifel niederzuschlagen.
	        
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