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Viertes Capitel. Berliner Kunst

Full text: Heinrich von Kleist's Berliner Kämpfe / Steig, Reinhold (Public Domain)

Ein junger Berliner Maler. S 
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künftig dauerndes. Ein Bild bietet sich ihm dar, an das des 
Künstlers Liebe die ganze Seele gesetzt hat. Aber der Künstler 
ist inzwischen gestorben. 
Arnim ließ sein Sonett für Wissende drucken, oder doch 
für solche, die in die Ausstellung gehen und sich dort um— 
sehen konnten. Aber heute, wo jene Bilder nicht zur Hand 
sind, läßt sich da noch Arnim's Räthsel lösen? Ich hoffe. 
In Beckedorff's Kunstartikel lesen wir das volle Lob 
eines „Doppelportraits von dem, leider! zu früh verstorbenen 
jungen Künstler, Herrn Johann Carl Andreas Ludewig“, 
das in der Ausstellung neben den Portraits von Schadow 
hing und „mit diesen auf das auffallendste und wohlthätigste 
contrastirte“. Ludewig war einer der talentvollsten Eleven der 
Berliner Akademie gewesen. Zuerst lenkte er in ganz jungen 
Jahren, 1804, die Aufmerksamkeit der Kunstkenner auf sich 
und erregte die größten Erwartungen. Damals stellte er eine 
Höllenfahrt des Judas Ischarioth aus, ein großes Oelgemälde, 
über das Zelter, von der Bedeutung des Werkes ergriffen, 
Goethe berichtete. Judas, im Begriff den Strick über seinem 
Haupte zu befestigen, erblickt ein leuchtendes Kreuz, das zwei 
Engel ihm entgegenhalten, und stürzt angstgepeinigt hinab 
wei Flammenhänden zu, die bereit sind, den Sünder in die 
dölle aufzunehmen. Brave Arbeit und kühne Erfindung ver— 
band sich hier mit der Idee des Unendlichen. Wieder sieht 
man klar, weshalb sich die Abendblätter eines solchen Künstlers 
annehmen mußten. Und auch sein letztes Werk, das Doppel⸗ 
portrait seiner Eltern, mit der ganzen Liebe und Treue eines 
Sohnes ausgeführt, wies durch seine allegorischen Figuren, 
den Genius ehelicher Liebe, die Eintracht und die Religion, 
auf das Unendliche, das Ewige hin, zu dem ihn nun selbst 
ein früher Tod emporgetragen hatte. Diesen Künstler und 
dieses Gemälde meint Arnim's Sonett, und des Räthsels
	        
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