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Zweites Capitel. Politik

Full text: Heinrich von Kleist's Berliner Kämpfe / Steig, Reinhold (Public Domain)

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a Ompteda's Englandfreundlicher Artikel verboten. S 99 
jubiläum der dankbar-freie Enthusiasmus eines glücklichen 
Volkes erst kürzlich (am 25. October) gefeiert hat, dem 
wenigstens der höchste Inbegriff aller Privattugenden nicht 
abgesprochen werden kann, wie verschieden auch, nach den 
Standpuncten, das Urtheil über seine Regenten-Größe und 
seine Regenten-Güte sein mag, und den — einen ächtkönig— 
lichen Vater — der Verlust der inniggeliebten und sehr 
liebenswürdigen jüngsten Tochter in die schrecklichen Leiden 
des traurigsten Uebels zurückwirft, hervorzubringen vermag. 
Wenigstens auf uns, die wir hohen Gefühls voll genug sind, 
um vor der bretternen Bühne Thränen für den 
König Lear zu haben, der die todte Cordelia in seinen 
Armen hält.“ Kleist schickte den Artikel sofort in die Druckerei. 
Aber das „Neutralisiren der Interessen“, das die Staats⸗ 
kanzlei für sich übte, wollte sie nicht ihren Gegnern gestatten. 
Die Cabinets-Ordre wegen Verschärfung der Censur wirkte 
bereits. Kannte Gruner, oder Sack, den staatskanzleilichen 
Ursprung des ersten Artikels, so konnte für Ompteda's Gegen⸗ 
ausführungen nur ein Verbot am Platze sein. Noch 1809 
hatte ein Professor des Joachimsthalschen Gymnasiums seine 
Uebersetzung der Spence'schen Schrift dem Könige zueignen 
dürfen: jetzt strich Gruner einen Zeitungsartikel über Spence 
durch! So weit war man gekommen! Die beiden Quer— 
striche auf der zurückgewiesenen Censurvorlage kamen Kleist 
wie zwei Schwerter vor, kreuzweis durch die theuersten und 
heiligsten Interessen der Nation gelegt. Aber es gab kein Mittel 
sich zu wehren. In das 48. Abendblatt, vom 24. November, 
rückte Kleist die trockene Redactionsanzeige ein, er ersuche den 
Verfasser eines Aufsatzes „über die neueste Lage von Groß— 
britannien, der aus Rücksichten, die hier zu erörtern zu weit⸗ 
läufig wäre, nicht aufgenommen werden könne, ganz ergebenst, 
ein Schreiben für ihn in der Expedition abzuholen; dasselbe
	        
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