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die Dunkelheit des Gegenstandes mehr nötig machte, als wir es
wünschten, so eilen wir nun, andere Erscheinungen der Zeit damit
zu kombinieren und die Resultate daraus zu ziehen.
Es waren eben mehrere, für unsere Gegenden und für den
Deutschen Orden sehr wechselvolle unheilschwangere Jahrzehnte
vergangen. Das erste Dezennium dieses Jahrhunderts hatte die
lange Zeit des segensreichen Wirkens des Ordens für Preußen
beendigt; in der Tannenberger Schlacht war seine ganze Blüte
gebrochen, und Tage voller Elend und Demütigung gingen über
das bedrängte Land auf. Zwietracht erhob ihr Haupt unter den
bisher so einträchtigen Ritterbrüdern, und der edle Held in der
Not, Heinrich Reuß von Plauen, fiel niederem Undank. Zügel⸗
losigkeit und Eigenmacht der Gebietiger und Komture weckte da
zuerst den Freiheit ahnenden Geist des Adels und der Städte, der
einst in dem preußischen Bunde dem Orden so verhängnisvoll
werden sollte. Eben damals aber hatte das Kostnitzer Konzil den
edlen Huß verbrannt, und seine fanatischen Anhänger trugen das
Racheschwert weithin durch die katholischen Länder. Jagiel von
Polen, dessen tiefgewurzelter Haß gegen den Orden nur mit
Hannibals Römerhaß verglichen werden kann, warb die rohen
Scharen der Hussiten und durchzog mit ihnen 1433 die Neumark
und Preußen bis ans Baltische Meer, rings unsägliche Ode und
nie gesehenen Jammer zurücklassend. Und immer größer ward
der innere Spalt zwischen den Ordensbrüdern, immer ungestümer
die Forderungen der zum Widerstand erwachten Stände, immer
peinlicher die finanzielle Not des Hochmeisters. Paul von Rußdorf
war so vielen Anforderungen nicht gewachsen. Am 2. Juni 1441
legte er sein schweres Amt nieder, und als am 12. April das
Kapitel vereinigt war, wählte es einstimmig den tüchtigsten Bruder,
Konrad von Erlichshausen. Angeborene Größe und in manchem
Amt erworbene Erfahrung zierte ihn. Vor allem aber war er
gottesfürchtig und fromm, ein Friedensfürst in der Gesinnung.
Schon als er noch Komtur von Ragnit war, erklärte ihn die
Brüderschaft der Pfarrer von Samland des Gnadenteils ihrer
Messen und aller gottesdienstlichen Übungen teilhaftig, und die
Karthäuser von Marien Paradies schlossen ihn in ihre Gebete ein.