78 Das Thaliatheater. Heinrich Marr. Görner.
spielerischen Talente in Hamburg aufmerksam gemacht,
deren Entdeckung Laube später mit Unrecht sich selbst zu—
geschrieben hat. Chéri Maurice, der sein Thaliatheater zu
einem Mustertheater ausgebildet hatte, war indessen der
eigentliche Entdecker der Talente. Von ihm hat die Firma
Laube⸗Heller lediglich profitiert.
Mit dem Franzosen Maurice ist wohl der beste
deutsche Theaterdirektor aus der Welt geschieden. Seine
gewandte Leitung des Theaters, seine geschickte Hand—
habung der Regie muß man beobachtet haben.
Trotzdem Maurice selbst ein vorzüglicher Regisseur
war, engagierte er neben Heinrich Marr noch Görner, so—
mit zwei Oberregisseure. Mit einem der beiden war es
schon schwer fertig zu werden, viel weniger mit zwei der
ersten Intriguants; gleichwohl beherrschte Maurice die
beiden ehrgeizigen Oberregisseure und Darsteller.
Bei Heinrich Marr fällt mir eine Episode aus der Zeit
seines Hamburger Engagements ein, die diesen von sich
sehr eingenommenen Charakterspieler schwer kränkte. Bei
einem Bankett kamen nach dem Essen mehrere Herren in
der Umgebung von Marr auf den berühmten englischen
Schauspieler Garrick zu sprechen, dessen Verwandlungs—
gabe in Miene und Haltung bekanntlich so bedeutend
war, daß er allein schon durch Veränderung seiner Frisur
und vielleicht noch durch Lösung seiner Kravatte ein
Wiedererkennen seiner Person unmöglich machte. Marr
sagte hierzu kein Wort, sondern verließ heimlich den Saal,
um die Tischrunde mit einer ähnlichen Leistung zu über—
raschen. Nach einer Ewigkeit erscheint er in der weit—
geöffneten Thür des Saales wieder, ohne Kravatte, mit
weitgeöffnetem Hemdkragen und verzogenem Gesicht. Bei
diesem Anblick schreien alle: „Aber Marr, wo bleiben Sie
denn so lange?“