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Adeline Gräfin Schimmelmann.
Witwe von Rußland) gehörte. Hier verläßt mich zum Glück mein
Gedächtnis.
Mehrere Jahre vergingen bevor ein anderes Erscheinen am
Hofe für wünschenswert erachtet wurde. Zu Hause wurde ich
manchmal zum Dessert in meinem weißen Muselinkleid und roten
Schuhen ins Eßzimmer gebracht, und ich erinnere mich noch ver—
schiedener Gelegenheiten, wo ich auf den großen Eßtisch gestellt
wurde und nun über den Tisch zwischen dem alten Meißner Por—
zellan und silbernen Vasen umherspazierte bis zur Mitte, wo meinem
Vater gegenüber ein großer Blumenkorb stand; hier setzte ich mich
hinein und bekam dann meinen Teil von den Süßigkeiten.
Nicht alle meine Erzieherinnen und Kinderfrauen weiß ich
noch zu nennen, ich erinnere mich aber, daß sie französischer,
deutscher und englischer Herkunft waren. Ganz genau besinne ich
mich aber auf meine erste Kinderfrau, Kathinka, und der lebendige
Eindruck — daß sie eine Christin war — ist mir geblieben. Im
frühen Alter lernte ich schon mehrere Sprachen und so begann die
Pflege einer Sprachkunde, welche mir nachher bei Hofe von großem
Nutzen war, sowie später in der Heimat unter den Seeleuten und
Arbeitern der verschiedensten Nationalitäten. Mein Französisch wurde,
wie man mir erzählt hat, in den Tagen als ich „auf dem Tisch“
umherging, von den Gästen meines Vaters sehr bewundert.
Unserer waren im ganzen elf Kinder. Meine Schwester vor
mir war vier Jahre älter als ich, und nach mir folgten lange
Zeit nur Knaben. Ich stand dadurch allein unter meinen Ge—
schwistern und empfand deshalb das Bedürfnis nach Verkehr mit
Kindern in meinem Alter und von meinen Interessen. Dies wird
in mancher Beziehung eine Bemerkung erkären, die meine Mutter
fallen ließ, als ich im sechsten Lebensjahre stand. „Sie ist gar—
nicht mein eignes Kind, sie ist so ganz verschieden von all' den
andern.“ Die dahin eilenden Jahre schienen diesen Unterschied
nur zu erweitern, jedoch entstand die spätere Entfremdung mehr
durch Verschiedenheit unserer inneren Richtungen, als durch äußere
Veranlassungen.
Nun kamen die Jahre der Erziehung mit ihren Anforde—
rungen und ihrer Anspannung. Ich will nicht sagen, daß dieselbe
eine strenge war. Die Natur that mehr für mich als alle meine