112 Adeline Gräfin Schimmelmann.
Aftenbladet,
Freitag, 12. Oktober 1894.
Eine moderne Eleonore Christine (dänische Königstochter,
die unschuldig gefangen gehalten wurde). Gräfin Adeline Schimmel—
manns Geschichte erinnert in schlagender Weise an das Schicksal der
unglücklichen Tochter des Uönigs. Beide gehören durch ihre Geburt den
höchsten Kreisen unseres Landes an — beide sind zur Gefangenschaft
verurteilt, die eine in einem elenden Gefängnis — die andere in einer
schrecklichen Zelle eines Irrenhauses.
Beide leiden wegen ihres guten Herzens. Die eine opferte alles
ihrem Gemahl — die andere giebt alles, was sie hat, den Elenden und
Unterdrückten — beide sind hochbegabte, tief religiöse Charaktere, welche
zuletzt eine Erleichterung darin finden, eine Erzählung der Leiden, welche
sie erduldet haben, zu schreiben.
Kjöbenhavn,
Sonnabend, 13. Oktober 1894.
Die Dame, deren ergreifende Erfahrungen der Mittelpunkt des
größten Interesses der letzten Woche gewesen sind, hat erklärt, daß sie
nicht ruhen wird, ehe sie eine Reform der Zustände und Gesetze herbei—
geführt hat, welche es verhindern sollen, daß Menschen in Irrenhäusern
verschwinden können. Die Gräfin Schimmelmann hatte den Fehler, daß
sie eine zu tief religiösse Natur besaß und ihr Leben damit zubrachte,
hülfe für Arme und Notleidende zu bringen. Sie wandte dem hof und
den Palästen den Rücken, um Hütten des Elends zu besuchen und dorthin
hülfe zu bringen. Infolge ihrer Aufopferung wurde sie in den Händen
eines „ju genialen Mannes“ das Opfer eines blödsinnigen und brutalen
Systemes. Sie thut aber jetzt mit Hülfe der Presse, der öffentlichen
Meinung und der Behörden ihr größtes Werk und hofft es zu einem
befriedigenden Abschluß zu bringen, indem sie eine Reform in den Ge—
setzen über die Irrenhäuser herbeiführt, sowie die Behandlung gesunder
und kranker Menschen bei uns im Einklang mit den Forderungen der
Humanität und der modernen Sivilisation bringt.