Path:
II. Henriette von Arnim. Eine Jugenderinnerung

Full text: Aus der Heimat und der Fremde / Pietsch, Ludwig (Public Domain)

73 
antreten. Wieder fand er die Arme und das Haus der 
Gräfin weit für sich geöffnet und wieder verging ihm ein 
Jahr in erzwungener Muße wie dem „Adlerjüngling“ im 
Myrtenhain. Als er endlich wirklich geheilt, wenn auch 
blind auf einem Auge und mit halb gelähmtem rechten 
Arm wieder einigermaßen fähig zu geistiger Arbeit wurde, 
—D 
herzlich wohlwollenden großen Ministers von Schön, dem 
die schwere Aufgabe der Neuorganisation der Provinz 
Preußen übertragen worden war. Später fand er An— 
stellung bei der Regierung zu Danzig. Wie immer in 
folchen Verhältnissen begannen seitdem und besonders seit 
der Verheiratung mit meiner Mutter die Beziehungen 
zwischen ihm und der Gräfin allmählich kühler und lockerer 
zu werden. Mein Schwesterchen wurde freilich noch auf 
den Namen Henriette getauft. Für uns Jungen, denen 
der Vater doch zwischen seinen Erzählungen vom Krieg 
und von der Katzbach auch manches von den vor und nach 
1813 in Kloschenen verlebten Tagen erzählen mußte, 
wurde die Dame zu einer Art mythischer Person, die wie 
von einer Aureole romantischen Lichts umschimmert oder 
von einer Wolke romantischen, sinnberückenden Duftes um— 
wittert erschien. Ihr Aquarellporträt, das wir einmai 
entdeckten, konnte diesen geheimnisvollen Zauber nur ver— 
stärken, den die Darstellung von ihr auf unsere Phantasie 
ausübte. Natürlich lebte sie für diese unwandelbar in der— 
selben Gestalt weiter. Daß sie altern könne, die 1787 
Schiller bezaubert und 180841810 noch so ausgesehen 
hatte, wollte uns nicht in den Sinn. Ebensowenig be— 
griffen wir es, als wir größer wurden, daß, wie wir zu⸗ 
fällig einmal hörten, Schiller sie in der Gräfin Eboli ge— 
zeichnet haben sollte, — sie, die Schöne, Hohe, Herrliche
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.