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antreten. Wieder fand er die Arme und das Haus der
Gräfin weit für sich geöffnet und wieder verging ihm ein
Jahr in erzwungener Muße wie dem „Adlerjüngling“ im
Myrtenhain. Als er endlich wirklich geheilt, wenn auch
blind auf einem Auge und mit halb gelähmtem rechten
Arm wieder einigermaßen fähig zu geistiger Arbeit wurde,
—D
herzlich wohlwollenden großen Ministers von Schön, dem
die schwere Aufgabe der Neuorganisation der Provinz
Preußen übertragen worden war. Später fand er An—
stellung bei der Regierung zu Danzig. Wie immer in
folchen Verhältnissen begannen seitdem und besonders seit
der Verheiratung mit meiner Mutter die Beziehungen
zwischen ihm und der Gräfin allmählich kühler und lockerer
zu werden. Mein Schwesterchen wurde freilich noch auf
den Namen Henriette getauft. Für uns Jungen, denen
der Vater doch zwischen seinen Erzählungen vom Krieg
und von der Katzbach auch manches von den vor und nach
1813 in Kloschenen verlebten Tagen erzählen mußte,
wurde die Dame zu einer Art mythischer Person, die wie
von einer Aureole romantischen Lichts umschimmert oder
von einer Wolke romantischen, sinnberückenden Duftes um—
wittert erschien. Ihr Aquarellporträt, das wir einmai
entdeckten, konnte diesen geheimnisvollen Zauber nur ver—
stärken, den die Darstellung von ihr auf unsere Phantasie
ausübte. Natürlich lebte sie für diese unwandelbar in der—
selben Gestalt weiter. Daß sie altern könne, die 1787
Schiller bezaubert und 180841810 noch so ausgesehen
hatte, wollte uns nicht in den Sinn. Ebensowenig be—
griffen wir es, als wir größer wurden, daß, wie wir zu⸗
fällig einmal hörten, Schiller sie in der Gräfin Eboli ge—
zeichnet haben sollte, — sie, die Schöne, Hohe, Herrliche