Path:
IX. Russische Trauertage (November 1894)

Full text: Aus der Heimat und der Fremde / Pietsch, Ludwig (Public Domain)

248 
mit herabwallenden Seitenvorhängen vor oder über dem Ein— 
gangstor der nördlichen Seitenfront und einem noch riesi— 
geren, von fast der vollen Höhe des Gebäudes, vor dem 
Portal der nordwestlichen Hauptfassade, dessen Draperien 
ein florbedecktes großes Bild des heiligen Georg einschlossen. 
Auf jenem Platz aber erhob zwischen zwei kandelaber— 
förmigen Türmen sich ein kolossaler Katafalk, dessen Verhält— 
nisse kaum hinter denen jenes Palastes zurückblieben. Das 
Dach war mit imitiertem Hermelin bedeckt, an den Ecken 
mit weißen Federbüschen geschmückt. Auf der Mitte des 
mit schwarzen und weißen Stoffen verkleideten Gerüstkörpers 
war das florverhüllte kaiserliche Wappen in entsprechend 
riesiger Größe angebracht, auf dem Schwarz der beiden 
Türme der kaiserliche Doppeladler. 
Das Wetter hatte sich über Nacht wieder verwandelt. 
Der Himmel war gleichmäßig grau verhüllt und schien mit 
Schnee zu drohen. Kein Sonnenblick durchbrach diese Wolken— 
decke. Die Kälte war etwas weniger streng und durch— 
dringend als während der beiden vorigen Tage. Aber bei 
stundenlangem Umherstehen machte sie sich dennoch fühlbar 
genug. Die Soldaten des Spaliers der Trauerstraße schienen 
sie, trotz der derben filzartigen Tuchmäntel und starken 
Stiefel, bald nachdrücklich zu spüren. Sie begannen zu 
springen, miteinander zu tanzen, sich lachend zu balgen, 
Freiübungen mit Armen und Beinen auszuführen. Keiner 
von ihren Offizieren nahm Anstoß daran. Die Volksmassen 
hinter den Seiten standen so dicht zusammengepreßt, daß die 
einzelnen die Kälte kaum empfunden haben dürften, auch wenn 
sie nicht in ihren Schafpelzen oder ausgepolsterten Röcken und 
Filzstiefeln gesteckt und ihre Köpfe nicht noch über den Pelz— 
mützen so dicht mit Tüchern umwunden getragen hätten.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.