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aufrichtige Trauer und Ergriffenheit in solchen äußeren Zeichen
kundzugeben, dafür wird sich erst in der kommenden Woche
der rechte Anlaß bieten, in deren Mitte der Zug mit der
Kaiserleiche in der Stadt Peters des Großen eintreffen soll.
Die waähre, volle Wirkung dieses Todes auf die russische
Volksseele wird sich freilich in Moskau reiner und stärker
offenbaren als hier an der Newa. So halte ich es für
das Richtigste, dorthin zu fahren und den Einzug des toten
Zaren durch die heilige Pforte des Kreml zu sehen, durch
die ich vor elf Jahren den lebendigen, glückstrahlenden, mit
prachtschimmerndem Gefolge bei Glockenklang und Kanonen—
donner und dem rasenden Jubelgeschrei seines Volkes zur
Krönung einreiten sah.
7ĩ
8. November.
Seit gestern morgen ist das Aussehen Petersburgs
gänzlich umgewandelt. Ein eisiger Nordostwind fegt durch
die Straßen, trocknet den durchweichten Boden und läßt
alles Nasse und Feuchte zu Eis erstarren. In der Luft
tanzen leichte Schneeflocken, welche die Dächer und Wege mit
einer dünnen Puderlage bestreuen. Und nun auch wallen, wehen,
flattern an allen Häusern und an allen Pferdebahnwagen
die schwarzen bezw. die schwarz und weißen Trauerfahnen
jeder Größe. Die an so vielen Häusern heraustretenden,
auf Eisensäulchen ruhenden, das Trottoir beschattenden Vor—
dächer werden Imit schwarzen Draperien umkleidet, alle
Laternenträger mit schwarzem Flor umwunden. Wenn mit
dem Anlegen dieser Trauertoilette so lange gezögert wurde,
so geschah es nicht etwa aus Gleichgültigkeit der Bevölke—
rung, sondern weil die Polizeibehörde das Anlegen jenes
düstern Schmucks erst vom Dienstag mittag ab gestattet