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V. Tiroler Sommertage (1902)

Full text: Aus der Heimat und der Fremde / Pietsch, Ludwig (Public Domain)

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Hauswände sind in jedem seiner drei Stockwerke von je zwei 
miedrigen Fenstern durchbrochen. Zwischen den obersten der 
Westseite steht in einer Nische eine große Madonnenstatue. 
An der Ostseite tritt ein runder Treppenturm mit schwärz— 
lichem Kegeldach heraus. Hie und da sind die Wände bis zum 
ersten Geschoß hinauf von Geißblatt überrankt. Dichtlaubige 
Kastanienbäume, Linden, baumhohe alte Holundersträuche 
umschatten das Haus. Ein Gärtchen, in welchem gegenwärtig 
die letzten Rosen und weiße Lilien an hohen, schlanken Stengeln 
leuchten, breitet sich auf dem Plateau vor der Südseite aus. 
Ein sanft ansteigender Pfad führt vom Fuße des Kirchhügels 
aus am rasigen, buschigen Hange an einem wundervollen, 
alten Bauerngehöft vorüber da hinauf. Das ist das Schlöß— 
chen Lanegg, ein dem 16. oder 17. Jahrhundert entstammen— 
der Bau, der leider in den letzten Jahrzehnten durch den 
Abbruch seiner ehemaligen Ecktürmchen und das Aufsetzen 
jenes gar nicht zu seinem Baustil passenden Daches viel von 
seiner echten charakteristischen Erscheinung eingebüßt hat. Es 
scheint ursprünglich nur einen Teil eines ausgedehnten Burg— 
baues gebildet zu haben, der später zerstört und abgetragen 
ist. Auf dem Hügel und der dahinter ansteigenden Berg— 
lehne zeugen noch heute Mauerreste von 190 m Dicke von 
dem einstigen Vorhandensein dieses das Tal beherrschenden 
festen Platzes. Einer der Burgherren von Lanegg liegt vor 
dem Hauptaltar der Mehrner Kirche begraben. Die Stein— 
platte, welche seine Gruft bedeckt, trägt unterhalb des Wappens 
die eingemeißelte Inschrift: „Allda liegt begraben der Wol 
Edelgeborn Herr Leopold Joseph Faber Von Lanegg, der 
Röm. Kays. Und Königl. Cathol. May. Landt-Militiä— 
Haubtmann, Welcher den 13. Mar. Anno 1740 in Got Selig 
Verschieden; Got Gnad dero Selen.“ 
In diesem Sommer ist das ganze Schloß von einer
	        
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