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Man lebte damals überhaupt in Jena einfach
und bescheiden und da Industrie wenig getrieben
ward, die Einnahmen der Professoren auch kärglich
waren, so zählte Vater immer noch zu den wohl.
habenden und schon dadurch angesehenen Bürgern
der Stadt. Ich besitze von ihm ein gutes Oelbrust-
bild, das ihn als jungen Ehemann zeigt und aus
diesem schauen seine Augen frisch und lebenslustig
in die Welt hinaus. Nach allem, was ich von ihm
hörte, entsprach auch sein Wesen als junger Mann
diesem Bilde. Er war eine lebensfrohe, gesellige
Natur, ein Freund von Wein, Weib und Gesang,
Anreger und. Leiter vieler vergnügter Feste und
Landparthien, deren Andenken in Freundeskreisen
lange in froher Erinnerung blieb; keine Familien-
oder Vereinsfeier verging, ohne dass er sie durch
Verse ernsten oder scherzhaften Inhalts. zu schmücken
versuchte. Ein ganzes Heftchen solcher Gelegenheits-
gedichte hat er mir hinterlassen, die, wenn auch
ohne poetischen Werth, doch manchen lustigen Ein-
fall enthalten und jedenfalls ihren Zweck erfüllten.
Hier nur eins seiner scherzhaften Gedichte, aus dem
Jahre 1825:
Ueberlegung:;eines Hagestolzen:
Ich sah Nanettchen, wunderschön,
Und lebt’ sie inniglich, i
Doch traut’ ich nicht, sie anzuseh'n,
Aus ihrer Näh’ ich wich,
Oft frug ich mich: „Was soll gescheh'n?
Wag' ich es denn, sie anzuseh'n?
Was wohl mein Herze dazu spricht?
Soll ich oder soll ich nicht?
Des Ruhmes viel von ihr vernahm
Mein Ohr. des freut’. ich michi