Zu den Briefen.
In den Weihnachtstagen des Jahres 1789 haben sich Schiller
und Humboldt in Weimar zum ersten Male gesehen. Schiller war
von Jena herübergekommen, um mit seiner Braut, deren Schwester
Karoline und beider intimer Freundin Karoline von Dacheröden in
kleinem, aber desto enger verbundenem Kréeise den Ohristabend zu
verbringen. Humboldt, der von éiner längeren Reise nach Paris,
der Schweiz und dem südwestlichen Deutschland zurückkam, befand
sich auf dem Heimwege nach Berlin, wo er demnächst als Referendar
am Kammergericht in den juristischen Staatsdienst eintreten sollte,
und verlobte sich in oben diesen Tagen mit Karoline von Dacheröden,
zu der er schon seit mehr als einem Jahre ursprünglich durch den
Veredlungsbund der Henriette Herz, dessen Mitglieder beide waren,
angeknüpfte, enger und enger werdende Herzensbeziehungen gepflegt
hatte. Durch diese Verbindung und die dadurch ermöglichte Freund-
schaft mit Schiller trat Humboldt entschieden und offen in die gei-
stige Atmosphäre hinüber, die die innersten und wertvollsten Keime
seiner reichen Individualität zu glücklicher Entfaltung brachte, wie
er das selbst auch bis ans Ende seines wechselvollen Lebens wieder
und wieder dankbar bekannt hat.
Mit jugendlicher Wärme schlossen sich beide an einander an
and es hätte wohl kaum der orientierenden Gharakteristik, durch
welche die durch das Medium der Liebe sehenden Frauen sie gegen-
seitig auf einander vorbereitet hatten, bedurft, um den Grund einer
dauernden Freundschaft zu legen. Dass Humboldt sich sehr freute
den berühmten Dichter kennen zu lernen (vgl. Briefwechsel zwischen
Schiller und Lotte 2, 175), werden wir ohne weiteres verstehen, zumal
er sich selbst in dieser Zeit „eine Art von Leidenschaft interessanten
Menschen nahe zu kommen“ zuschreibt und aus dieser Menschen-
kenntniss „ein eigenes Studium“ machte (Briefe an eine Freundin
1, 167). Aber auch für Schiller war Humboldts in der Schilderung
der Frauen wohl nicht durchweg ganzg klar ausgefallenes geistiges
Bild ein Gegenstand lebhaften psychologischen Tnteresses geworden: