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Anmerkungen

Full text: Briefwechsel / Schiller, Friedrich (Public Domain)

27. Juni 1798. 
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dichterische Wirken, mit Begriffen beizukommen, ist der freiste 
und höchste, und für den Philosophen, der dieses Feld be— 
herrschen will, ist er ohne Zweifel der geschickteste. Aber eben 
wegen dieser philosophischen Höhe ist er vielleicht dem ausübenden 
Künstler nicht bequem, und auch nicht so fruchtbar, denn von 
da herab führt eigentlich kein Weg zu dem Gegenstande. Ich 
betrachte auch deßwegen Ihre Arbeit mehr als eine Eroberung 
für die Philosophie als für die Kunst, und will damit keinen 
Tadel verbunden haben. Es ist ja überhaupt noch die Frage, 
o ob die Kunstphilosophie dem Künstler etwas zu sagen hat. Der 
Künstler braucht mehr empirische und specielle Formeln, die 
eben deßwegen für den Philosophen zu eng und zu unrein sind; 
dagegen dasjenige, was für diesen den gehörigen Gehalt hat 
und sich zum allgemeinen Gesetze qualifiziert, für den Künstler 
bei der Ausübung immer hohl und leer erscheinen wird. 
Ihre Schrift ist mir auch schon darum als ein beweisender 
Versuch merkwürdig, was der speculative Geist dem Künstler 
und Poeten gegenüber eigentlich leisten kann. Denn was hier 
von Ihnen nicht geleistet worden, das kann auf diesem Wege 
überhaupt nicht geleistet, noch gefodert werden. Sie haben den 
philosophisch kritischen Verstand, insofern es diesem mehr um 
allgemeine Gesetze als um regulativische Vorschriften, mehr um die 
Metaphysic als um die Physic der Kunst zu thun ist, auf das 
oollständigste würdigste und liberalste repräsentiert, und nach 
s meinem Gefühl das Geschäft geendigt. 
Sie müssen sich nicht wundern, lieber Freund, wenn ich 
mir die Wissenschaft und die Kunst jetzt in einer größern Ent— 
fernung und Entgegensetzung denke, als ich vor einigen Jahren 
vielleicht geneigt gewesen bin. Meine ganze Thätigkeit hat sich 
gerade jetzt der Ausübung zugewendet, ich erfahre täglich, wie 
wenig der Poet durch allgemeine reine Begriffe bei der Aus— 
übung gefördert wird, und wäre in dieser Stimmung zuweilen 
unphilosophisch genug, alles was ich selbst und andere von der 
Elementarästhetik wissen, für einen einzigen empirischen Vortheil, 
für einen Kunstgriff des Handwerks hinzugeben. In Rücksicht 
auf das Hervorbringen werden Sie mir zwar selbst die Un— 
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