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19. 22. Juli 1796.
andern von einem gegen Kants ewigen Frieden gerichteten poli—
tischen Aufsatz mit großem Beifall. Ich gestehe daß mir in
politischen Dingen Reichardts Lob doppelt verdächtig ist.
Haben Sie schon Kants Ausfall in der Berlinischen Monats-
schrift gegen Stollberg und Schlosser gelesen? Meiner Empfin- 3
dung nach ist es nicht viel werth. Der Gehalt ist gar unwichtig
und der Stil wie gewöhnlich, schleppend und steif. Die einzige
Freude, die man, dünkt mich, dabei empfindet, ist daß jene
Herren, in ihrer aufgeblasenen Plattheit, gezüchtigt werden.
Mit nächster Post mehr, liebster Freund. Leben Sie herz- i0
lich wohl, und geben Sie uns bald wieder recht gute Nachrichten
von Ihnen und Lolo. Von Herzen der
Ihrige,
Humboldt.
31. Schiller an Humboldt.
Jena, 22. Juli 1796.1
Von Herdern habe ich noch nichts, doch hat er etwas
versprochen.
Schlegel ist seit 14 Tagen wieder hier mit seiner Frau.
Diese hat viele Talente zur Conversation und man kann leicht ꝛ0
mit ihr leben; es kommt nun darauf an, ob eine längere Be—
kanntschaft, wenn sie besonders zur Vertraulichkeit werden sollte,
nicht irgend einen Dorn entdecken wird. Er ist mit einer weit—
läuftigen Recension des Vossischen Homers beschäftigt, wovon
ich was fertig ist gelesen, und sehr befriedigend gefunden habe. 28
Voß kann gar nicht sehr davon erbaut werden, denn es wird
ihm bewiesen, daß er den Homer erstaunlich modernisiert habe.
Ihre Bekenntnisse über Sie selbst, mein liebster Freund,
möchte ich Ihnen gerne in einem eignen Briefe beantworten,
wenn ich mich nur ordentlich dazu sammeln könnte. Soviel s0
nur für jetzt: ich bin überzeugt was 75rem schriftstellerischen
Belingen vorzüglich im Weyc 45 7 55 765 nur ein Ueber—
gewicht des urtheilenden Vermgent uc Ldas crey bildende, und
der zu voreilende Einfluß der Critik über die Erfindung, welcher