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Bekenntnisse I. Aus dem Leben

Full text: Jugenderinnerungen und Bekenntnisse / Heyse, Paul (Public Domain)

J. Aus dem Leben. 
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einengte und auf das Künstlerische beschränkte, sondern allen 
Menschheitsfragen offen blieb. Und wenn ich den Schmerz hatte, 
Viele von ihnen zu überleben, so fanden sich immer wieder 
Jüngere zu mir, die des besten Willens waren, in die Lücken 
einzutreten. 
So, als ich durch den Tod meines Freundes Hermann 
Kurz cinen der schwersten Verluste erlitt, die ich je zu beklagen 
hatte. 
Was ich an diesem seltenen Menschen besaß, wie engver— 
bunden wir zehn Jahre mit einander gelebt hatten, so innig 
verbrüdert, wie ich mich nur mit meinem Jugendfreunde Otto 
Ribbeck fühlte, habe ich in der biographischen Einleitung zu 
seinen gesammelten Schriften erzählt, die ich nach seinem Tode 
(1878) herausgab. Das Gefühl der Beraubung durch den 
frühen Tod des Freundes, der es nur zu sechzig Jahren 
gebracht, wurde nur dadurch gemildert, daß ein jüngerer Freund, 
mit dem ich schon bei Lebzeiten von Kurz Vieles getheilt hatte, 
nun noch herzlicher mir nahe trat, Ludwig Laistner, auch ein 
Schwab und Stiftler wie Kurz, von ähnlicher dichterischer Be— 
gabung, aber mit breiteren wissenschaftlichen Interessen und zwar 
auf den verschiedensten Gebieten. 
Er war, nachdem er aus innerem Widerstreit gegen den 
dogmatischen Zwang sein Vicariat in Württemberg aufgegeben 
hatte, nach München gekommen, wo er als Erzieher im Hause 
eines reichen Fabrikanten eine Stellung fand, die ihm Muße 
genug ließ, seinen Studien zu leben. Mir hatte er sich zunächst 
als angehender Poet genähert und mir ein Heft Gedichte gebracht, 
die ich so talentvoll fand, daß ich einige von ihnen in das „Neue 
Münchener Dichterbuch“ aufnahm. Auch eine kleine epische 
Dichtung war darunter, bei der ihm Wilhelm Hertz mit seinen 
Erzählungen aus dem miitelalterlichen Sagenkreise als Muster 
vorgeleuchtet hatte, und im Laufe der Zeit kamen noch Prosa⸗ 
Novellen von sehr charakteristischem Reiz hinzu, unter dem 
Titel „Geschichten aus alter Zeit“ bei W. Hertz in Berlin er⸗ 
schienen. 
Heyvse: Jugenderinnerungen. 
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